Do, 25. August 2016

"Das Erbe der Libellenschatten"

Kolumne von Sascha Theisen zum Heimspiel gegen den Bonner SC

Der FC Portsmouth aus England trägt seine Spiele im heimischen Fratton Park aus, dem einzigen Stadion im englischen Profi-Fußball, das nicht auf dem Festland liegt. Portsmouth und Alemannia haben auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so viel gemein. Obwohl: Beide Vereine spielen in der vierten Liga ihres Landes einigermaßen erfolglos gegen die Bedeutungslosigkeit an, nachdem sie einen rasanten Abstieg in die Klauen der Unterklassen aufs Parkett gelegt haben. Während sich die Alemannia allerdings einen zwar nicht überragenden, dafür aber einigermaßen brauchbaren Saisonstart erspielt hat, konnten sich die Fans in Portsmouth erst am letzten Wochenende über den ersten Saisonsieg gegen eine Mannschaft namens Colchester – wenn man so will das Sprockhövel Englands – freuen. Dies wurde sicher ausgiebig gefeiert im Fratton Park, denn der Verein dort gehört den Fans selbst, die ihn sich nach zahlreichen ermüdenden Besitzerwechseln kurzerhand selbst zurück kauften und ihn nun nach Kräften verwalten – da kann man auch schon mal einen etwas schwächeren Saisonstart ertragen.

Als ich nun den Spielplan studierte und dabei den Tivoli Besuch gegen den Bonner SC plante, musste ich an den FC Portsmouth und den Fratton Park denken. Das hatte aber weniger mit dem Mut der dortigen Fans oder den hässlichen Unterwelten von Regionalligen zu tun, sondern viel mehr damit, dass Alemannia an diesem Freitag seine Flutlicht-Premiere in der noch so jungen Saison gibt. Und mal ehrlich: Flutlichtspiele machen Tinte auf den Füller. Denn wenn schon Spieltage Festtage sind, dann stehen Flutlichttage an der Schwelle zu fußballatmosphärischen Orgasmen. Es gibt nicht viel, was vergleichbar wäre. Der Rasen scheint dann in einem glimmernden noch schöneren Grün als eh schon, die Spieler werfen einzigartige Schatten auf ihn – wenn auch nicht mehr jene denkwürdigen „Libellenschatten“, die unsere Jungs einst unter dem gleißenden Licht der Tivoli-Masten warfen, als diese das Spielfeld noch von vier Ecken aus beleuchteten und so für ein ganz besonderes Lichtspiel sorgten. Es ist mit Sicherheit ein weiterer Nachteil dieser neuen Multifunktionsarenen, dass das Flutlicht mittlerweile als Teil der Dachkonstruktion integriert ist und somit auch die Libellen an der Seite der Spieler verdrängte. Aber immerhin: Das Lichtspiel selbst ist glücklicherweise bis dato noch keiner Kommerzialisierungswut zum Opfer gefallen. Es gehört nach wie vor zum Spiel, wenn auch viel zu selten, was eine durchaus angenehme Verknappung ist, erzeugt sie doch kindliche Vorfreude, frohe Ungeduld und gespannte Erwartung auf den Spieltag, der an einem Freitag Abend das Wochenende mit einem Spiel Deiner Mannschaft einläutet. Etwas viel Besseres gibt es nicht.

Das erste Ligaspiel, das unter Flutlicht ausgetragen wurde, fand ausgerechnet im Fratton Park in Portsmouth statt – damals im Februar 1956 als Portsmouth gegen Newscastle spielte und Alemannia zur gleichen Zeit in der Februar-Sonne der Oberliga West 4:3 in Münster gewann.

Viertklassigkeit hin, große Siege der Vergangenheit her – irgendwie ist das Gefühl vor Flutlicht-Spielen immer ein ganz besonderes. Vorfreude trifft Vorabend. Dunkler Himmel trifft helles Licht. Männer in gelben Trikots treffen auf ihre eigenen Schatten. Alemannia trifft auf Bonn. Es ist angerichtet und ich kann es kaum erwarten bis das Licht angeht am Tivoli – auch wenn mir die Libellenschatten der vier Flutlichtmasten fehlen werden. Aber hey: Man kann halt nicht alles haben. Fragen Sie mal in Portsmouth nach.

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