Do, 23. Februar 2017

"Die 74-Punkte-Arithmetik"

Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Wiedenbrück

Es ist gerade mal eine Woche her, dass in Berlin 96 Minuten gespielt wurden, einfach weil fast allen Beteiligten danach war. In Köln traf ein einarmiger Fußballer ins Tor, woraufhin sein Verein sogar der Versuchung widerstand, ihn für 40 Millionen ins Reich der Mitte zu veräußern. Und in München ist plötzlich sogar einer wie Thomas Müller nicht mehr gut genug. Das Leder rollt schon seit Januar wieder und jede Woche gibt es ordentlich was zum staunen. Und während die ganze (Fußball)welt davon spricht, dass man aufpassen sollte, den Fußballfan im Allgemeinen nicht zu überfüttern, muss der Alemannia-Fan im speziellen halt bis Anfang März warten. Schicksal nennt man das und man muss sich wohl damit abfinden, wenn man nicht gerade lebenslänglich als Mitglied bekommen oder dem Blumenthaler SV beim verlieren zugucken möchte.

Es ist fast Frühlingsanfang und endlich greift Alemannia wieder ins Geschehen ein. Das Problem: So richtig wissen wir alle nicht, was wir mit der Ausgangssituation anfangen sollen. Immerhin: Die Saison ist frei von sportlichen Sorgen. Nach oben scheint nichts mehr zu gehen, nach unten aber auch nicht. Und man soll sich ja über die kleinen Dinge im Leben freuen. Auf der anderen Seite: Was soll das Ganze eigentlich, wenn man nicht auch mal das Unmögliche denken oder es wenigstens mal durchrechnen darf. Schließlich haben wir den besten Trainer der Liga und sind nicht mal ansatzweise bereit, den Mann nach China zu verkaufen – also wahrscheinlich nicht.

40 Millionen hin. 40 Millionen her. Ich hatte ein bisschen zu viel Zeit und deshalb mal nachgerechnet. Das Ergebnis macht Hoffnung und lautet: Summasummarum ist noch alles möglich in dieser Saison. Klingt bescheuert? Na klar, ist mathematisch aber absolut einwandfrei hergeleitet. Die Aufstiegsformel geht nämlich folgendermaßen: Wer nichts besseres zu tun hat, nimmt sich einfach mal die Abschlusstabellen der Regionalliga West aus den letzten acht Jahren vor. Kann man ja mal machen – schließlich gibt es ja auch Leute, die Rosen züchten.

Wie auch immer, dem echten Regionalliga-Statistiker fällt jedenfalls sofort auf, dass der Punkterekord des späteren Meisters aus dem Jahr 2012/2013 stammt, als die Sportfreunde Lotte satte 86 Punkte sammelten, weil sie Gegner wie den VfB Hüls oder die mittlerweile abgemeldeten Nachwuchskicker von Bayer Leverkusen hatten. Klarer Fall von Ausnahme. Denn so was passiert nicht jedes Jahr. Denn es gab welche, da reichten weniger als 70 Punkte zum Meistertitel. Rechnen wir alle erspielten Punkte der Meister seit 2009 zusammen und bilden einen Durchschnittswert, dann sagt uns der Taschenrechner: Im Schnitt holten die Regionalliga-Meister im Westen 75 Punkte. Am wenigsten hatte einst die Zweitvertretung aus Dortmund mit lächerlich wenigen 68 Punkten.

So, wer jetzt noch nicht eingeschlafen ist, wendet den ganzen statistischen Unsinn nun auf Alemannias aktuelle Situation an. Und das hört sich so an: Mit dem besten Mann auf der Bank stehen zur Zeit nach 20 gespielten 90 Minuten, 32 Punkte auf der Haben-Seite. Die nimmt uns schon mal keiner mehr. 14 Mal wird noch angepfiffen, macht im besten Fall 42 weitere Punkte, die zusammen mit den bereits erspielten 74 Punkte in der Abschlusstabelle machen – ein Punkt weniger also als man im Schnitt benötigt.

Was heißt das? Nun, das heißt: 74 Punkte, die ja und da dürften wir uns am Ende alle einig sein, absolut einplanbar sind, könnten reichen, um im Sommer eine gepflegte Relegation zu spielen, zumal die Sportfreunde Lotte ja längst in Pokalsensationen machen. Die statistische Gegenprobe: Mit 74 Punkten wäre man in den letzten acht Jahren vier Mal Meister geworden. Drei Mal hätten sogar 70 Punkte gereicht, was bedeuten würde, dass wir sogar noch ein Mal verlieren dürften – sagen wir, gegen Sprockhövel oder so.

Und je mehr ich darüber nachdenke, desto plausibler klingt das denn auch alles für mich. Statistisch fundiert ist es allemal. Denn wenn andere Vereine für einarmige Stürmer 40-Millionen-Euro-Offerten in den Wind schießen, wenn in anderen Städten 96 Minuten kein Problem sind und wenn sogar einer wie Thomas Müller nichts mehr wert ist – dann werden ja wohl 14 Siege am Stück drin sein. Warum hätten wir auch sonst so lange darauf warten sollen, dass Alemannia endlich wieder anfängt zu kicken? Eben!

Die Kolumne erscheint auch in der neuen Ausgabe des Tivoli Echo. Das offizielle Stadionmagazin der Alemannia ist am Spieltag im Fanshop und an den Stadioneingängen beim Team Tivoli erhältlich.

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