Mi, 29. April 2015

"Die Rückkehr des flauen Magen"

Die Kolumne zum Heimspiel gegen Viktoria Köln

Letzten Sonntag wurde der FC Bayern Deutscher Meister – ungefähr so überraschend, wie eine XXL-Packung Viagra Packung im Briefkasten von Jürgen Drews oder ein Weizenbier in der Hand des Hackl Schorsch. Als der nationale Titel perfekt war, spielte der FC Bayern selbst nicht und deshalb fiel auch gleich die Meisterfeier aus. Jedenfalls fand am Marienplatz in München nichts statt, alle Bayern-Fans ließen die Lederhosen im Schrank und gingen stattdessen früh schlafen. Selbst wenn man es nach Titel Nummer 25 irgendwie verstehen kann – denn schlaf mal 25 Mal mit Rihanna, irgendwann hast Du da auch keinen Bock mehr drauf, wenn Du nicht gerade Jürgen Drews bist – komisch ist das trotzdem. Denn Dein ganzes Leben lang träumst Du als Nicht-Bayern-Fan davon, ein einziges Mal nur den Kapitän Deiner Mannschaft mit dieser verflixten Schale vom Balkon des Rathauses Deiner Stadt grüßen zu sehen. In München leben sie diesen Traum schon lange nicht mehr. Da muss schon der europäische Henkelpott dabei sein, damit die Meisterschale wenigstens ein bisschen glänzt.

Sei´s drum! Jeder tanzt halt mit den Mädchen, die auf der Kirmes sind. Und in München sehen die eben ein bisschen anders aus als in Aachen, wo die Regionalliga-Bräute wohl auch im nächsten Jahr eine flotte Sohle aufs Parkett legen werden.

Keine Frage: In der letzten Woche war es ein fürchterlicher Schlag mitten in die schwarz-gelben Kronjuwelen hinein, als das Tor in der Mondpalast-Arena in Herne wie vernagelt schien und Alemannia mit der schmerzhaftesten Saisonniederlage nach Hause kam. Es war eine der Niederlagen, die sich wie ein Alligator-Baby an der Brustwarze anfühlte: schmerzhaft, zerberstend, widerwärtig! Und vor allem folgenschwer, denn der so erhoffte Aufstieg zurück in die Fußball-Bedeutung scheint seitdem so gut wie weg zu sein.

Ein paar Tage später tut das Ganze gar nicht mehr so weh. Der Verstand funktioniert wieder und gibt dem Bauchgefühl deutlich zu verstehen, endlich die Klappe zu halten. Es ist nicht lange her, als ich im Bekanntenkreis – ganz Fußball-Prophet – orakelte, dass wir in den nächsten zehn Jahren mit so etwas wie einem Aufstieg nichts aber auch gar nichts mehr zu tun haben würden. Konkret: Platz 5 oder Platz 6 in der Regionalliga West – ja, das hätte ich erst letztes Jahr im August noch mit Freuden unterschrieben. Stattdessen erleben wir immer noch eine Saison, in der vier Spieltage vor Schluss immer noch, und gar nicht mal so theoretisch, alles möglich ist. Wir durften Momente erleben, in denen Sieg bringende Last-Minute-Treffer so viel Adrenalin frei setzten, wie besagte XXL-Packungen im Gemächt des Jürgen Drews. Aber Onkel Jürgen beiseite: Wer könnte je die Tore von Dennis Dowidat in Köln, Taku Ito gegen Siegen oder Fabian Graudenz in Wattenscheid vergessen? Wer hätte je solche Auftritte, wie die gegen Essen oder Mönchengladbach vor der Saison erwartet?

In solchen Momenten wie diesem hier gerade, ist es immer gut, sich zu vergegenwärtigen, wo man genau vor einem Jahr stand – auf Platz 13 und in einer Situation, in der ein ausverkauftes Stadion, die Tabellenspitze und ein möglicher Aufstieg nach rasendem Wahnsinn klang. Erlebt haben wir all das trotzdem! Mehr noch: Endlich durften wir wieder mit diesem positiv flauen Gefühl in der Magengegend zum Tivoli fahren, das man nur bekommt, wenn man auf etwas hoffen darf. Und die Hoffnung ist es, die seit diesem Jahr wieder zurück ist! Endlich wissen wir wieder, wie sie sich anfühlt. Manchmal vergisst man, wo man her kommt, weil man sich schneller wieder aufgerappelt hat, als man es selbst erwartet hätte. Und daher bin ich noch nicht bereit, sie gleich wieder aufzugeben, so lange noch alles möglich ist.

Und außerdem, noch eine ganz andere Frage zum Schluss: Wie Scheiße wäre es eigentlich, Bayern-Fan zu sein? Eben!

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