Fr, 25. September 2015

"Jammern auf der Gartenbank"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Erndtebrück

Ein Gleichnis: In „The Big Lebowski“ fragt Donny den Dude auf dem Parkplatz vor der Bowling-Bahn „Wozu brauchst Du Deinen Johannes, Dude?“. Der Dude geht ohne zu antworten einfach nur weg – alleine mit seinem Frust, nur um viel später im Film zu verkünden, dass diese Frau in seinem Bett nicht seine Freundin sei, sondern dass er ihr nur helfen würde, schwanger zu werden. So viel zu seinem Johannes.

Zuletzt saß mein guter Freund Peter bei mir zu Hause auf der Gartenbank, trank ein Bier nach dem anderen und schaute traurig in die Leere vor und in ihm. Er kämpfte erst gar nicht gegen „das arme Tier“ in ihm an, sondern überließ sich selbst der ganzen Ladung Frust, die gerade wie mit dem Eimer über ihm ausgegossen wurde. Jedenfalls meinte er das. Der Grund für seinen Kummer war der Niedergang seines Vereins, wenn man von Niedergang sprechen kann, bei einem Verein, der zeitgleich in der Champions League spielt und dessen größte Sorge es ist, dass der „10-Millionen-Dollar-Mann“ da vorne im Sturm nicht funktioniert. Als Aachen-Fan weißt Du in solchen schmerzlichen Momenten: Alles Jammern auf hohem Niveau!

Peter ist Fan dieser Mannschaft vom Niederrhein, die man vielleicht nicht unbedingt mögen muss. Trotzdem ist der Grad der Leidenschaft in ihm nicht weniger groß als meiner. Deswegen konnte ich ihn verstehen und fühlte mit ihm, als er so da saß und bruchstückhaft Sätze stammelte wie: „So ein Scheiß, warum lässt der uns gerade jetzt alleine?“, „Wir steigen ab! Hunderprozentig!“ oder „Wir sind am Ende! Da gibt´s kein Vertun!“. Ich gönnte ihm dieses Leiden. Denn eines habe ich in all den Jahren gelernt: Wenn es so richtig Scheiße ist, ist es am besten! Denn mal ehrlich: Pokalsiege hin, Aufstiege her! Da gibst Du Dir halt ein paar Tage die Kante. Aber so richtig schön lange hast Du doch nur was davon, wenn Dein Verein mal wieder so richtig große Scheiße baut – sei es auf dem Rasen oder daneben. Das sind Langzeitschmerzen., die Dich am Ende erst fit machen für die Erfolge, die vielleicht eines Tages mal kommen.

Stellt Euch mal vor, Alemannia steigt wirklich und ernsthaft eines Tages mal auf. Wie vergleichsweise gering wäre die Freude in diesem einzigartigen Moment, wenn in den Jahren davor alles normal und in geordneten Bahnen verlaufen wäre? Wenn wir nicht Marcel Heller hätten sehen müssen, nicht vor den runter gelassenen Rolladen der Würstchenbude an unserem Block gestanden hätten und nicht ebenso zuverlässig wie unnötig immer wieder gegen Mannschaften verloren hätten, deren Namen wir sicher nicht zwei Mal hintereinander ohne Rechtschreibefehler hätten aufschreiben können. Und wie grandios wird der Jubel unter dem Eindruck der verlorenen Jahre sein? Ich jedenfalls bin da voll auf Freudentränen eingestellt, an der Seite meiner Kinder, die gerührt von diesem einzigartigen Moment zu mir aufschauen und selbst beginnen zu weinen. Ja – so wird es sein – so und nicht anders. Kann zwar sein, dass ich dann gestützt am Gehstock jubeln muss, aber ekstatisch wird es sein – keine Frage!

Vor diesem Eindruck kommt nun also ein Gegner zum Tivoli, der sich TuS Erndtebrück nennt und das ganze Ausmaß unserer Tristesse wie zum Hohn alleine schon durch seinen Namen zum Ausdruck bringt. Man könnte meinen, dieser Vereinsname ist am Ende nur erfunden worden, um Traditionsvereinen wie wir einer sind, noch einmal klar vor Augen zu führen, in welcher gequirtlten Kacke sie sich eigentlich befinden.

Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass der Gastverein immerhin 1895 gegründet wurden und laut einer Schnellrecherche im Internet einst im Jahre 2000 per dramatischen Elfmeterschießen in die Verbandsliga Westfalen aufstieg – kurz nachdem wir alle in Aachen den vielleicht emotionalsten Aufstieg aller Zeiten feierten. Lang ist es her und trotzdem so unvergessen – vor allem wegen all dem Leid davor.

Als also zuletzt mein guter alter Freund auf meiner Gartenbank auf sehr hohem Niveau jammerte, klopfte ich ihm gönnerhaft auf die Schulter. Ich sagte aber nichts, denn ich wusste: Das muss jetzt sein, damit er irgendwann wieder den Freudentränen nah sein kann. In diesem Fall waren das nicht mal Langzeitschmerzen. Wahrscheinlich ist er Ende Oktober schon wieder aus dem Schlimmsten raus.

Und wir? Tja – sieht ganz so aus, als müssten wir erst einmal ein Heimspiel gegen den TuS Erndtebrück angehen müssen. Und wie ich uns kenne, haben wir auch kein Problem damit, ein bitteres 0:0 aufs Parkett zu zaubern. Mal sehen! Und wenn es so kommt – na und! Dann setzen wir uns halt auf die Gartenbank und jammern! Schließlich ist die da im Bett nicht unsere Freundin. Wir helfen ihr nur dabei, schwanger zu werden!

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