Do, 4. März 2010

Computer, Programm starten!

Mario Krohm dirigierte 9.000 Männer, die größtenteils betrunken waren. Er stand auf dem Rasen des ehemaligen Ulrich-Haberland-Stadions – bestens gekleidet: gelbes Trikot mit gezackten Schattenstreifen und dem Schriftzug „Hannen Alt“ auf der Brust. Er hielt eine Eckfahne in der rechten Hand, die er prachtvoll in Richtung Fankurve schwenkte. Was war passiert? Mario Krohm hatte gegen die zweite Mannschaft von Bayer Leverkusen getroffen – in einem Spiel, das mehr als das Leben selbst bedeutet. Ein Moment, den Captain Kirk, den Nexus nennt. Wenn endlich jemand mal das Holodeck erfindet, dann wird dies der Moment sein, zu dem ich als erstes reise. Computer – April 99, Leverkusen. Programm starten!

Manchmal kann man nicht erklären, warum man seine Gunst ausgerechnet einem einzigen Spieler schenkt. Wir hatten in all den Jahren so viele in unseren Reihen – manchmal sogar welche, die kicken konnten. Das konnte und tat Mario Krohm nie. Er hatte zwei Füße wie Flipperkegel. Wenn er den Ball stoppte, bedeutete das, dass er ihn gleich im Anschluss mit einem 3-Meter-Sprint sichern musste. Wenn er einen Pass spielte, musste der Mitspieler oft die Richtung antizipieren. Und trotzdem war er mein Mann, was an Szenen lag, wie an der in Leverkusen, mit der Eckfahne in der Hand.

Oder es lag an Szenen, wie der in der Dürener Provinzdiskothek Atlantis, wo wir ihn einmal morgens um fünf trafen. Wir sprangen uns in die Arme, als wir das schmeichelhafte Kunststück fertig gebracht hatten, seiner Frau Pia die Zigarette anzuzünden. Hey – wir hatten der Frau von Mario Krohm eine Zigarette angezündet. Rock´n´ Roll! Was für ein Moment, als wir mit Mario Krohm in den Morgenstunden der Dürener Partyszene dessen Spiel deuteten und ihn allen Ernstes fragten „Mario – was können wir sonst noch für Dich tun?“ Seine Antwort war die eines Fußballprofis und trotzdem beinahe philosophisch: „Ihr müsst mich weiter unterstützen!“. Was für ein Satz! „Ihr müsst mich weiter unterstützen!“ – vielleicht das Beste, was ich je im Zusammenhang mit Fußball gehört habe.

Ich weiß nicht, ob er das gesagt hätte, wenn er gewusst hätte, dass wir die Typen waren, die eine ganze WG-Party damit zubrachten, den größten Blech auf seinen Anrufbeantworter zu sprechen. Zu viert saßen wir um das Telefon der Gastgeberin herum und wählten immer wieder Krohms Nummer, um ihm Dinge auf Band zu sagen, wie „Mario – Du musst den Fußball atmen!“ oder „Mario, Du bist für uns eine Religionsperson“.

„Ihr müsst mich weiter unterstützten“, hatte er gesagt und mehr taten wir nicht, aber eben auch nicht weniger. Und rückblickend ist es dieser Satz, der erklärt, warum ich immer weiter zum Tivoli gehe – mittlerweile sogar in einen halbleeren. Ich gehe hin, um Mario Krohm und die, die ihm folgen, zu unterstützen. Ich gehe hin, in der Hoffnung, dass irgendwann noch einmal jemand mit der Eckfahne in der rechten Hand vor der Fankurve steht und uns dirigiert. Computer, Programm starten!

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