Do, 8. Dezember 2016

Jubiläumsausgabe: 40 Jahre Tivoli Echo

Die Kolumne von Sascha Theisen

Am 16. Dezember wird der TSV Alemannia Aachen 116 Jahre alt. Bereits am 11. Dezember gibt es ein weiteres, rundes Jubiläum zu feiern: Vor genau 40 Jahren erschien das erste Tivoli Echo. Die Kolumne von Sascha Theisen zum runden Geburtstag:

Mein erstes Tivoli Echo hielt ich zu einer Zeit in der Hand, als in meinem Zimmer Poster von Madonna, Boris Becker, Sabrina und Klaus Augenthaler gleichberechtigt nebeneinander hingen. Ich hatte Akne – ziemlich fiese Akne sogar, was so etwas wie die Strafe für das Sabrina-Poster war, das ja nur da hing, weil sie einen – immerhin gelben – Bikini darauf trug. Mein Gesicht sah zwar nicht so übel aus wie das von Volker Dammers, das einer einzigen Kraterlandschaft glich, dafür bekam ich besonders lokal ausgeprägte Akne meistens direkt auf der Nase. Wenn wir damals Religion hatten und ich Tanja Fiedler gegenüber saß, die wahrscheinlich bis heute noch kein Tivoli Echo gelesen hat, hielt ich mir meist meine rechte Hand vors Gesicht. An anderen Tagen klebte ich mir ein überdimensionales Pflaster auf den Zinken, was mich aber nur noch mehr auf aus dem Rennen um Tanja Fiedler warf als es eh schon der Fall gewesen war. In dieser schwierigen Zeit war Fußball, war der Tivoli, war das Stadionheft so etwas wie ein Rettungsanker für mein Selbstvertrauen. Nirgends sonst kannte ich mich so gut aus und nirgends sonst war der Krater auf meiner Nase so egal wie hier. Im Gegenteil – bis heute ist das Stadion einer der Orte, an denen man ungestört hässlich sein darf ohne dass es auch nur irgendeinen im Ansatz stört. Und zur Not steckt man seine Nase eben ins Tivoli Echo. Eine bessere Tarnung gibt es nicht.

Ich weiß nicht ganz genau, ob ich schon damals damit anfing, das Echo in der hinteren rechten Hosentasche zu tragen. Es müsste aber so gewesen sein, denn im Grunde kann ich mich nicht daran erinnern, es jemals an einem anderen Ort aufbewahrt zu haben. Schon immer falte ich es genau ein Mal zusammen, stecke es in die Gesäßtasche und lese es dann erst zu Hause. Klar – der eigentliche Sinn eines Stadionheftes ist ein anderer. Denn eigentlich handelt es sich dabei um ein Programm für das bevorstehende Stück, das dort unten auf dem grünen Rasen gegeben wird und über das man gerade bei Vereinen wie Alemannia viel zu oft lieber den Mantel des viel zitierten Schweigens legen sollte. Trotzdem lese ich es bis heute immer erst nach dem Spiel, trage sorgfältig mit schwarzem Filzstift die Mannschaftsaufstellung nach und freue mich wenn der Nachwuchs mal wieder per Kurzartikel gewürdigt wird. Im Stadion selbst schaut es aber eben nur zur Hälfte aus meiner Gesäßtasche heraus, gerade so als wäre es so etwas wie ein anales Sprachrohr all der blühenden Hoffnung auf bessere Zeiten und all der zerstobenen Träume, die direkt von meiner rechten Backe ins Stadion hinaus gepupst werden – eine zugegeben bedenkliche Assoziation, die aber nun mal ist, wie sie ist.

Jedenfalls gibt mir dieses Heft dort hinten so etwas wie Sicherheit auf meinem Weg von der Wurstbude zum Platz auf dem ich mich auf das große Drama vorbereite. Es gehört dazu. Und beinahe ist es so als wären wir hier fest verabredet, das Echo und ich. Kurz nachdem wir uns wie immer getroffen haben, essen und trinken wir kurz etwas zusammen, philosophieren über die erste Elf, über die aus unserer Sicht wahrscheinliche Kulisse und steigen dann die Betonstufen hinauf, an meist überforderten Ordnern vorbei, mitten hinein in den Ort, den wir so sehr lieben – früher noch ein bisschen mehr als heute, was aber eine andere Geschichte ist oder auch nicht. Das Echo hat so ziemlich alles gesehen in den letzten Jahrzehnten und während sogar ein episches Stadion ging, behielt es trotzdem dessen Namen und blieb. Es ist eine echte Konstante in einem Milieu, das sich in den letzten gut zehn Jahren so sehr verändert hat, dass es manchmal bitterböse weh tut. Es ist verlässlich, mal gut mal nicht so gut – aber da und das ist es, was es ausmacht –einfach da zu sein in einer Welt in der so vieles einfach nicht mehr da ist: Geld, Erfolg oder gute Stadionwürste.

Wenn ich am Samstag ins Stadion gehe, habe ich zum Glück keine Akne mehr, Tanja Fiedler sehe ich auch nur noch gut zwei Mal im Jahr und ob Sabrina immer noch gelbe Bikinis trägt, weiß alleine der liebe Gott. Aber all das ist am Ende auch egal, denn Zeit ist vergänglich und was gestern noch galt, gilt eben heute schon lange nicht mehr, außer vielleicht das Tivoli Echo – ein Mal sauber in der Mitte gefaltet in meiner rechten Gesäßtasche geparkt. Gut zu wissen, dass es Dinge gibt, die da sind, egal was passiert. Herzlichen Glückwunsch zum Vierzigsten, alter Freund.

 

Die Kolumne lesen Sie auch in der neuen Ausgabe des Tivoli Echo. Das offizielle Stadionmagazin der Alemannia ist am Spieltag im Fanshop und an den Stadioneingängen erhältlich.

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