Testspiele - Saison 1919/1920 - 15. Spieltag - Sonntag 23.05.1920  - 16:00 Uhr
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Spieldaten

Aufstellung

VfB Wilhelmshaven: u.a. May, Raacke

Alemannia Aachen: Hennes – Schaps, E. Laumen – Leussler, F. Schmitz, Korffmacher – Kaussen, F.? Fincke (46. F. Esser), J. Wesché, Fürguth, Altenkamp

Tore

1:0, 1:1 Kaussen, 2:1

Besondere Vorkommnisse:

F.? Fincke scheidet verletzt aus (3.)

23.5.1920: VfB Wilhelmshaven - Alemannia Aachen 2:1

Nach Aussagen alter Alemannen gehörte diese Fahrt zu den schönsten seit Bestehen des Vereins.

Freitagsabends gegen 10 Uhr hatten sich im Berliner Hof folgende Reiselustigen – o Schreck, dieses Gepäck – eingefunden: Kohl, Finke, Korffmacher, Smeets, Hennes, Altenkamp, Laumen, Schaps, Baumanns nebst seiner Schwägerin und Esser. Nachdem unser Kassierer den Spielern 500 "Emchen" Vorschuss ausgezahlt hatte, folgten wir einer freundlichen Einladung unseres l. Franz Esser, der es verstand, uns vor Antritt der grossen Reise durch Kaffe und tipptoppen Kuchen frisch und munter zu halten. Ein gestiftetes Ia Likörchen verfehlte ebenfalls seine Wirkung nicht. Und so zogen wir zum Bahnhof, auf den Lippen "sing, sang, kling, klang, es zog ein Bursch hinaus". Am Bahnhof gesellte sich unser l. Hub. Kaussen zu uns. Zu erwähnen wäre, dass er sich sofort mit einer 100er Kiste ff. Holländer Zigarren vorstellte und aufwartete. Nachdem uns die Zurückgebliebenen Herf, Clemens und noch einige andere ein letztes Lebewohl zugerufen hatten, verschwanden wir pünktlich in der Richtung nach Cöln. Einige Flaschen "Kindermilch" sowie die Bekanntschaft mit Frl. Dunkel, liessen recht bald eine nie geahnte Stimmung aufkommen, sodass bereits in Düren beim Lieder "Was frag ich nach das Silleber, was frag ich nach das Gold" die Fensterscheiben klirrten. Endlich gegen 2 Uhr Cöln. Wir trafen Fürguth und später noch Leussler und Wesche. Der Bahnhof, die Wartehallen, die Speisesäle, alles war derart mit Menschen, grossen und kleinen, sogar Säuglingen angefüllt, dass für uns nicht ein kleines Plätzchen übrig blieb. Wir mussten deshalb unser Asyl mitten in der Nacht vor dem Bahnhof bezw. Dom aufschlagen. Dieses Bild muss man gesehen haben. Es ist jammerschade, dass hier keine Aufnahme gemacht werden konnte. Die ganze Gesellschaft sass oder lag auf dem Bürgersteig, packte ihre sieben Sachen aus, ass, trank und dachte im Quellenhof zu sein. Ab und zu stieg eine Nummer der Bunten Bühne. (?) Schaps übte dauernd laute Kommandorufe, redete viel von bevorstehenden Mensuren usw. Esser machte ganz verdächtige Laufversuche. Kaussen musste dauernd seinen echten holl. Käse herhalten. Altenkamp bildete sich als Nachtwächter aus, wobei seine Augen strahlten. Gegen 4 Uhr, nachdem wir noch die Bekanntschaft mit dem Berufsringer Leppard gemacht hatten, welcher unseren l. Jupp Kohl auch später vor einer Krambolage mit einem echten, frechen Chauffeur rettete, stieg die Stimmung unter Einnahme eines Ia Getränks, sodass es vollständig unmöglich ist, die einzelnen Situationen hier festzuhalten. Aber es möge genügen, wenn ich behaupte, die Lachmuskeln versagten beinahe ihren Dienst.

Gegen 6 Uhr bestiegen wir geschlossen den Norddeutschen Zug. Er war sehr überfüllt, doch nach und nach fanden sich alle zusammen. Die lange Reise verlief ausgezeichnet. Bevor wir in Osnabrück waren, herrschte eine wahre Carnevalsstimmung, woran sich besonders Esser, Schaps und Fürguth lebhaft beteiligten. Unser ganzer D-Wagen machte mit und freute sich über Fürguth um Nachthemd, Esser als Mohrenkopf in seiner neuen Alpenreiteruniform und Schaps als lästigen Passagier. In Osnabrück musste tatsächlich der Zug 1 Minute später abfahren, weil wir mit unserer Photo-Aufnahme nicht fertig werden konnten. Der sonst gestrenge Bahnhofsvorsteher hatte Freude und ein Einsehen. In allerbester Stimmung gelangten wir gegen 2 Uhr in Bremen an und erfuhren, dass der Anschluss soeben weg sei. Ein kleiner Besuch und eine Stärkung in Bremen hielt uns bis zur Weiterfahrt 5.30 munter. Endlich, gegen 10 Uhr, langten wir in Wilhelmshaven an. Unter Absingen eines kräftigen Rheinliedes begrüsste uns unser Felix Schmitz, welcher mit Frau schon vorgefahren war, der I. Vorsitzende des V.f.B. Wilhelmshaven, Herr Doetsch, sowie eine Menge Vereins-Mitglieder. Ziemlich spät begaben wir uns zur Ruhe. Früh um 1/2 8 Uhr war bereits grosses Wecken, und beim herrlichsten Pfingstwetter unternahmen wir unter Führung des sehr liebenswürdigen Herrn Dötsch eine Dampferfahrt über den Jadebusen nach Eckwarden und zurück. Auch hier sorgte unser l. Franz, welcher sich im Hotel als "Teichaffe" eingeschrieben hatte, für beste Unterhaltung. Anschliessend an diese Dampferfahrt besuchten wir die Deutschen Kreuzer Königsberg und Graudenz. Dank der guten Verbindung unseres Führers hatten wir Gelegenheit, den Kreuzer Königsberg eingehend zu besichtigen. Der Eindruck auf uns war, nachdem wir erfuhren, dass dies die letzten Schiffe wären, welche in 3 Tagen abgegeben werden müssten, ein gewaltiger. Die Besichtigung war sehr lohnend. Unser Flieger Fürguth hatte eher keine Ruhe, bis er hoch oben im äussersten Korb hing und an alte Zeiten zurückdachte. Doch einige Worte unseres energischen Führers liessen ihn schnell aber vorsichtig abgleiten.

Um 4 Uhr begann auf dem Platzes des V.f.B., einem Kasernenhofe, welche über und über mit Glasscherben, Steinen, Schlacken und sontsigem Unrat bedeckt war, das erste Treffen. Wir traten mit folgender Mannschaft an: [...]

Schon in der 3. Minute musste unser bester Stürmer Finke ausscheiden. Er stolperte über ein aus dem Boden ragendes Eisenstück, wodruch er sich einen Bluterguss im Fussgelenk zuzog. Da das Umkleidelokal ziemlich weit vom Platze lag, mussten wir bis zur Pause mit nur 10 Mann spielen. Nachher trat der Ersatzmann Esser ein. Trotz reichlichen Ersatzes führten wir im Felde das bessere Spiel vor, um jedoch vor dem Tore desto schlechter zu sein. Hennes musste einen Ball passieren lassen.

Nach der Pause kam Wilhelmshaven, mit schwerem Wind spielend, etwas mehr auf. Doch Hennes rettete gut. Nach 20 Minuten zogen wir durch Kaussen gleich. Einige später ereignete sich etwas für unsere Verhältnisse Unverständliches. Der Gegner gab einen hohen Ball aufs Tor. Der Ball, der unfehlbar hinter der Torlatte niedergekommen wäre, wurde dadurch zum Tor verwandelt, dass einige Zuschauer das nicht in den Boden eingelassene Tor am Netz hintenüberzogen. Der überhaupt unmögliche Schiedsrichter entschied Tor. Die letzte Viertelstunde stand, nachdem Fürguth mit Altenkamp bezw. Korffmacher gewechselt hatte, vollständig im Zeichen Alemannias. Nur infolge der sehr schlechten Bodenverhältnisse konnten Tore nicht erzielt werden. Jeder noch so sichere Ball sprang vom Fusse ab. Auch liess die drückende Hitze, die anstrengende Reise, der Ersatz, das sonst gewohnte Spiel nicht aufkommen. Von Wilhelmshaven verdienen der Mittelstürmer Raacke, der Mittelläufer May sowie der gute Linksaussen lobend erwähnt zu werden.

Abends fand ein Vereinsfest statt. Musik, Tanz, Vorträge, gemeinschaftliche Lieder hielten uns ziemlich lange zusammen. Es wurde herzlichst gelacht über unseren Franz Esser als Medium, über unseren Kaussen mit seinem Lieder mit dem allgemeinen Kehrreim: "Bimmele, Bammele" sowie über seine Bemerkung den Wilhelmshavenern gegenüber: "Ühr Wilhelmshavener, heut ühr mä Gras gehatt, mir heue üch de Bock usgetrocke". Allgemeine Freude fand das Lied: "Sind wir im Himmel, da trinken wir Kümmel, sind wir am Rhein, trinken wir Wein, Mariechen, da lachst du dich ka...". Sehr schön war das Keulenschwingen des I. Vorsitzenden Herrn Dötsch sowie die Musikvorträge unseres Felix mit seiner Frau. Schaps übte sich am Büffet, sodass Altenkamp die herzl. belachten Worte brauchte: "Er liess seine Sonne leuchten über Weisse und Gelbe, Gerechte und Ungerechte usw. Alles in allem, wir haben uns grossartig unterhalten.

(Vereinszeitung des Aachener Turn- u. Sportvereins Alemannia 1847 / Nr. 7; Juli 1920)

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