Do, 14. Dezember 2017

"Hundertsiebzehn Mal"

Kolumne von Sascha Theisen

Leck mich fett mit „o“ – Alemannia, altes Mädchen, da wirst Du heute doch tatsächlich 117 Jahre alt. Mehr als 11.000 Menschen sollen kommen, um das mit Dir zu feiern. Gar nicht mal schlecht, obwohl: Es gab Zeiten, in denen Du bei einer solchen Zuschauerzahl nur müde gegähnt und Dich wieder hingelegt hättest. Aber so ist das eben, wenn man in die Jahre kommt und nicht mehr ganz so geschmeidig ist, wie einst im Mai. Die wirklichen Freunde erkennst Du erst dann, wenn die Kacke dampft. Aber sei´s drum – ein Geburtstag ist nicht der richtige Anlass für Schelte.

Trotzdem sei eine Frage erlaubt, die vor kurzem jemand nicht ganz zu Unrecht an mich richtete, als er von all dem Geburtstagsbrimborium hörte: Warum eigentlich ausgerechnet 117? Also – warum wird in diesem Jahr ausgerechnet dieser Geburtstag gefeiert, während letztes Jahr der 116. einfach so vorbeistrich, ohne auch nur gegrüßt zu werden? Ist die 117 denn eine so besondere schwarz-gelbe Zahl? Lässt man auf der Suche nach einer Antwort all die Jahre, in denen man dabei sein durfte, noch einmal an sich vorbeilaufen, kommt man allerdings sehr schnell darauf: Na klar ist sie etwas Besonderes, die 117 – wenigstens, wenn man gefühlte Maßstäbe anlegt.

Denn gefühlt war man bei 117 Spielen dabei, die in Schlussphasen verloren wurden. Das verbindet! Dagegen kratzt die Anzahl der Spiele, die in den letzten Minuten für Alemannia entschieden wurden noch lange nicht an der Dreistelligkeit und dürfte so ungefähr bei 11,7 liegen. Auch das verbindet!

117 Mal war Alemannia schon bankrott, 117 Mal war man deshalb am Boden zerstört und 117 Mal fing man wieder gemeinsam von vorne an.

117 Mal versprang Mario Krohm um die Jahrtausendwende der Ball als er ihn mit dem zweiten Gedanken vor dem ersten versuchte anzunehmen – eigentlich unglaublich, dass er trotzdem 117 Tore für Alemannia traf.

117 Mal habe ich mich schon gefragt ob das DFB-Pokalfinale in Berlin eigentlich noch geiler gewesen wäre, wenn Alemannia es gewonnen hätte. 117 Mal habe ich die Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten dürfen.

117 Mal habe ich Simon Rolfes in schlaflosen Nächten vor meinem geistigen Auge noch ein Mal in Alkmaar alleine auf den Torwart zulaufen sehen und 117 Mal hat er das Ding eiskalt versenkt.

117 Mal bin ich im Anschluss nach Donezk gefahren, um mit 117.000 anderen Aachenern irgendwo in der ukrainischen Bedeutungslosigkeit „Die drei Atömchen“ zu singen.

Auf 117 Stürmer habe ich zu Beginn von 117 Spielzeiten gehofft und gewettet, dass sie in ihrer Saison Torschützenkönig würden. 117 ihrer Namen habe ich schon wieder vergessen. Nur Chris Iwelumo, Frederic Commodore und Todor Kolev habe ich schon 117 erfolglose Male versucht aus meinem Langzeitgedächtnis zu streichen. Also rede ich mir ein, dass sie zusammen so viele Buden wie Mario Krohm gemacht haben – alleine schon, um nicht bekloppt zu werden. Aber vielleicht bin ich das ja auch schon längst. 117 Mal Ritalin geht schließlich selbst an meinem Körper nicht spurlos vorbei.

117 Mal würde ich den guten alten Tivoli wiederaufbauen, wenn mich jemand fragen würde. 117 Mal würde ich mir dann dort eine Stadionwurst kaufen, nachdem ich 117 Mal in den Senftopf gelangt hätte, um sie damit 117 Mal zu bestreichen. 117 Mal würde ich den Würselener Wall hochgehen, um 117 Mal den Karlsruher SC oder Greuther Fürth verlieren zu sehen. 117 Mal würde ich dann denken: „Zweite Liga – mehr brauche ich eigentlich gar nicht!“

Also, um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen. Warum feiert Alemannia ausgerechnet den 117. Geburtstag so ausgiebig? Na, weil sie es kann! Und wegen Rolfes! Wegen Krohm! Wegen Iwelumo! Wegen der guten alten Stadionwurst! Und wegen all der verlorenen Schlussphasen! Die verbinden! Happy Birthday, altes Mädchen!

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