Mo, 23. September 2019

Titelgewinn im Mittelklassewagen

Kolumne von Sascha Theisen

Letzte Woche hatte ich wieder eine dieser Autofahrten. Meine beiden Jungs saßen neben und hinter mir. Da der ältere wegen seines Geburtstages in der Bowlingbahn Kerpen eine Runde hatte ausgegeben lassen, saß noch sein bester Kumpel mit im Mittelklassewagen der Familie, den weder er noch irgendein anderer seiner „Bros“ bei Insta liken würde. Was er stattdessen dort mit Emoji-Kommentaren versieht, sind so ziemlich alle Einträge, die mit dem 1. FC Köln zu tun haben. Soweit nichts Neues für die Theisen-Männer, die in solchen Runden immer alleine damit gelassen werden, ihre Zuneigung für Alemannia Aachen zu verteidigen.

Natürlich lief es auch dieses Mal auf einen Battle der Mitfahrenden in Sachen Lieblingsvereine hinaus und leider ist es in unserem Mittelklassewagen nun mal so: Egal wer mitfährt, er ist der theisischen Alemannia-Liebe gegenüber hoffnungslos unterlegen – arithmetisch, emotional, argumentativ. In diesem Fall stand es auf der gut halbstündigen Fahrt nach Personenanzahl 3:1 für Alemannia und all die gängigen Argumente á la „Bundesliga versus Regionalliga“, „Volle Hütte versus 5.000 Zuschauer“ oder „Modeste versus Hackenberg“ waren selten so gut zu kontern wie in dieser Woche, in der Alemannia mal so richtig gut vorgelegt hatte.

Zunächst war da der Auftritt eines ehemaligen B-Jugendspielers beim nationalen Wettsingen „The Voice of Germany“. Niklas Schregel heißt der schicke Knilch, der tatsächlich als erster Mensch in dieser auch bei 14-jährigen beliebten Sendung die Worte „Alemannia“ und „Aachen“ zu Lena Gerke sagte – jene Lena Gerke, die immerhin noch vor fünf Jahren den Weltpokal im Maracana gewonnen hatte. Doch damit nicht genug: Der Mann, den Tobi Mohr anschließend bei Insta dann auch noch ganz im besten Slang aller 14-jährigen „Bro“ nannte, performte dermaßen am Voice-Mikro, dass sowohl Lena als auch Voice-Schiedsrichterin Alice Merton deutliche Hitzewallungen der Wollust erkennen ließen. Klar, dass diese kleine Anekdote aus dem großen weiten Showbiz im Mittelklassewagen gleich mal zur Alemannia-Story umgedeutet wurde. Dass der junge Schregel die meiste Zeit seiner Laufbahn bei Borussia Mönchengladbach, Freialdenhoven oder auf irgendeinem amerikanischen College verbracht hatte, tat hier nun mal wirklich nichts zur Sache.

„Wir gewinnen mal eben The Voice“, gab der kleinste Theisen mit dem Brustton der Überzeugung zum Besten, als es darum ging den nächsten Alemannia-Titel ins Feld zu führen. „Genau“, pflichtete sein Bruder ihm bei, ohne die FC-Antwort auf den baldigen Titelgewinn abzuwarten. „Und wenn Imbongo Boele sich mal aus dem Urlaub zurückgemeldet hätte, hätten wir den auch noch angemeldet. Dann wäre uns Platz 2 gleich auch noch sicher.“ Zugegeben: Das war ein bisschen schräg, aber das Tor im Pokalfinale in Bonn hat nach wie vor Eindruck hinterlassen in der jungen Theisen-Generation. Außerdem: Da niemand, der seine Samstage in Köln-Müngersdorf verbringt, nur ansatzweise weiß, wer Imbongo-Boele ist, ging auch der Punkt im Mittelklassewagen-Voting klar an uns.

So ziemlich im gleichen Moment meldete der Alemannia-Liveticker aus Wattenscheid gleich zwei Tore auf einmal in die Rücksitze. Großes Getöse im Auto. „Wenn wir treffen – dann IMMER gleich zwei Mal“, gab der Fahrer irgendwo zwischen fachmännisch und fatalistisch zu Protokoll. Der rot-weiße Fahrgast schien beeindruckt – jedenfalls war so sein Schweigen zu deuten. Er hatte aufgegeben, was auch nicht bei solchen Argumenten? Genau der richtige Zeitpunkt also, ihm den Rest zu geben. „Letzte Woche haben wir den Mittelstürmer von Mauritius weggeschickt! Zu schwach für uns.“ Bäm – der Einwurf des ältesten Sohnes saß. Jetzt war der Fahrgast endgültig ruhiggestellt. Ein Nationalspieler zu schwach für Alemannia. Mehr ging nicht. Was hätte er jetzt noch entgegenzusetzen? Nullkommanix! Leicht triumphierend und mit zufriedener Miene trafen sich die Blicke der drei Theisens im Rückspiegel und der alte Vater im Auto resümierte klammheimlich, in der Erziehung doch nicht alles falsch gemacht zu haben.

Zu Hause angekommen, wurde noch schnell der 2:1 Auswärtssieg in Wattenscheid nach Hause gezittert und nebenher auf der TV-App nachgeschaut, wann die nächste Voice-Folge läuft. Denn bei Lena Gerke und Alice Merton steht schon bald ein Titel an. Alles Weitere klären wir im Mittelklassewagen.

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