Fr, 4. April 2008

Weniger Lob, mehr Punkte

Gegner im Visier: VfL Osnabrück

Komplimente hat Matthias Heidrich in dieser Saison schon allzu viele gehört. „Mensch, habt ihr wieder mutig gespielt“, haben die Leute gesagt. Oder: „Wow, da habt Ihr aber richtig Gas gegeben.“ Doch weil der hohe Aufwand des Mittelfeldspielers Matthias Heidrich und seines VfL Osnabrück in keinem Verhältnis zur Punkteausbeute steht, sagten die Leute eben auch: „Da hättet Ihr eigentlich punkten müssen“ oder „Ihr hättet den Sieg verdient gehabt.“

Es ist also eine Saison voller Konjunktive für den Aufsteiger aus Niedersachsen. „Wir bekommen viel Lob, aber es ist zweifelhaftes Lob, wenn du nicht punktest“, sagt Heidrich. Gegen Fürth standen sie 3:3 und verloren im Schlussspurt noch 6:3, gegen Offenbach blieb nach einer 3:1-Führung nur ein Unentschieden. Gut aber glücklos endeten viele Spiele. Oder eben im Konjunktiv: Da wäre mehr drin gewesen. Und das trotz enormen Aufwandes, Kampfes und großen Einsatzes, die die Spiele des VfL Osnabrück durchaus zu einem spannenden Spektakel machen. „Lieber hätte ich zehn Punkte mehr und alle würden sagen: Ist das eine Schweinetruppe!“, erklärt Heidrich. Die Realität ist anders. Der VfL ist keine Schweinetruppe und hat möglicherweise zehn Punkte weniger eingefahren als möglich gewesen wären. Trotzdem ist Heidrich zufrieden, denn sein Team stand bislang nicht einen einzigen Tag auf einem Abstiegsrang. „Wir sind Aufsteiger und damit absolut im Soll“, sagt der Ex-Aachener. Und „Wer hätte uns das zugetraut?“

Heidrich ist ein Baustein des Erfolges. Mit Abwehrmann Thomas Cichon und Stürmer Thomas Reichenberger bildet er eine routinierte Achse, um die herum die jungen Wilden wirbeln können. Heidrich war von Beginn an der Ruhepol im Mittelfeld. „Mit dem Wechsel ist das in Erfüllung gegangen, was ich mir gewünscht habe. Ich spiele und bekomme Verantwortung“, sagt er. Schon in den ersten Gesprächen mit Trainer Claus-Dieter „Pele“ Wollitz war klar, dass ein Typ wie Heidrich fehlte. Ein schnörkelloser Mittelfeldmann, der die Ärmel hochkrempelt, wenn es nicht so läuft, und der den jungen Spielern Halt gibt, der Ruhe ausstrahlt und doch im richtigen Moment den Mund aufmacht. „Es funktioniert ordentlich und mein Selbstvertrauen wächst“, kommentiert Heidrich den Saisonverlauf.

Der 30-Jährige genießt die Zusammenarbeit mit den vielen Talenten im VfL-Kader. „Man darf die Jungs nicht bremsen, muss sie eher noch antreiben. Schwankungen sind normal, aber im Erfolg dürfen wir nicht rumeiern“, fordert er. Schwankungen gab es nämlich genug. In der Hinserie war der VfL Osnabrück recht berechenbar: Die Heimspiele wurden ebenso sicher gewonnen wie die Auswärtsspiele verloren. Oft waren es individuelle Fehler, die zwischen dem VfL und dem Erfolg standen, häufig fehlte auch das Glück. „Ich hoffe, das haben wir uns für das Saisonfinale aufgespart“, sagt Heidrich.

Er glaubt felsenfest an ein gutes Saisonende – sprich den Klassenerhalt und lebt diese Überzeugung vor. „Wir sind uns einig, dass wir die nötigen Punkte holen. Wir haben es in der Hand und wenn wir es nicht schaffen, dann steigen wir auch zu Recht ab“, sagt er. Der Klassenerhalt wäre dann die Basis für eine ganz neue Perspektive in Osnabrück. „Wir können hier für die Zukunft etwas aufbauen“, findet Heidrich. Das Konzept, junge Spieler aus dem Nachwuchs der großen Bundesligaklubs mit Spielpraxis nach Niedersachsen zu locken, verspricht Erfolg. Paul Thomik hat beim FC Bayern gelernt, Marcel Schuon wurde beim VfB Stuttgart ausgebildet, Pierre de Wit durchlief die Nachwuchsschmiede von Bayer Leverkusen und Rouwen Hennings kommt aus dem HSV-Talenteschuppen. Sie alle bekommen beim VfL viel Spielpraxis und damit die Chance, in der 2. Bundesliga und nicht in den Reserveteams in der Regionalliga zu reifen. Und sie alle erleben einen Trainer, den es so wohl kein zweites Mal im Profifußball gibt – sagt „Matze“ Heidrich. „So einen emotionalen Typen habe ich noch nicht erlebt“, berichtet der Mittelfeldspieler. Und: „Aber es ist das Gesamtpaket, das den Trainer so besonders macht: Die Ansprache der Spieler, die Freiheiten, die er den Spielern auf der einen Seiten gibt, die Forderungen, die er auf der anderen Seite stellt. Er ist einzigartig.“ Und Matthias Heidrich hat schon viele Trainer kennen gelernt. In vergangenen Jahren, wenn er für den Gegner in Osnabrück antrat, dann fand er Wollitz manchmal „aufgesetzt“ oder „übertrieben“. Dieses Bild hat sich verändert. Wollitz ist so, weiß Heidrich nun. Und das ist auch gut so. „Er hält die Mannschaft immer bei Laune, versucht immer, dass die Jungs ihr gesamtes Potenzial abrufen. Das brauchen die Jungs auch und niemanden, der von morgens bis abends den Videorecorder laufen lässt“, sagt er.

Wollitz denke immer noch wie ein Spieler. Das mache die Zusammenarbeit spannend, denn Wollitz wähle nicht immer die typischen Trainerlösungen, wenn es auf dem Feld mal nicht so läuft. Nur eingewechselt hat er sich noch nicht. „Er würde gerne noch mitspielen und könnte eine gute 10 spielen“, ist sich Heidrich sicher und lacht. Das klingt nach einem Traumpaar im Mittelfeld. „Pele“ Wollitz als Spielmacher und Matthias Heidrich als Aufräumer an seiner Seite. Aber nein, das wird es nicht mehr geben. Weder auf dem Tivoli, wo Heidrich mit Aue schon als Sieger vom Feld ging, noch auf irgendeinem anderen Fußballplatz.

Apropos Tivoli: Heidrich freut sich ungemein auf die Rückkehr. „Das wird ein geiles Spiel, ein Genussspiel. Wir freuen uns alle darauf und können ganz locker dorthin fahren.“ Es ist eine Reise in die Vergangenheit für den 30-Jährigen. Zwei Jahre hat er am Tivoli gekickt, in Aachen wurde sein erstes Kind geboren. Das Zweite wird demnächst in Osnabrück das Licht der Welt erblicken. „Wollen wir doch mal sehen, wo wir danach heimisch werden und das Dritte dann kommt?“, lacht Heidrich und irgendwie klingt es so als wäre er längst heimisch geworden. In Osnabrück. Beim VfL. Dort wo er die Verantwortung im Mittelfeld trägt.

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