So, 23. März 2008

Erstklassig in der 2. Liga

Gegner im Visier: Borussia Mönchengladbach

Den Sommer wird Oliver Neuville so oder so in der Schweiz verbringen. Entweder besucht er wie so oft seine Familie in der Südschweiz oder springt noch auf Jogi Löws EM-Zug und zieht mit der deutschen Nationalmannschaft in das Euro-Quartier in Ascona. Denn Oliver Neuville hat immer noch beste Chancen, einen Platz im Kader zu ergattern. „Ja, Joachim Löw hat mir gesagt, dass ich gute Chancen habe, sofern ich bei der Borussia gute Leistungen bringe“, sagt er. Auch wenn Gladbach in diesem Jahr in der 2. Bundesliga spielt.

Das ist ohnehin nur die halbe Wahrheit. Denn über weite Strecken der Spielzeit hat man viel mehr den Eindruck, als wäre eine Erstliga-Mannschaft versehentlich in der 2. Bundesliga ins Rennen geschickt worden. Abgesehen von zwei Schwächephase zum Saison- und zum Rückrundenstart begeistert Borussia Mönchengladbach durch souveränes Spiel und Dominanz. Auf dem Papier bedeutet dies zwangs-läufig die Tabellenführung. Erstklassig in der zweiten Liga sind sie. Und so ist es kein Zufall, wenn dieser – in jedem Fall – erstklassige Stürmer Neuville sagt: „Mit dieser Mannschaft wären wir nicht abgestiegen.“

Es gibt einige Faktoren, die die aktuelle Borussia zu einem erfolgreichen Team werden lassen. Vor allem die Zentrale mit dem erfahrenen Patrick Paauwe und Ex-Alemanne Sascha Rösler ist ein Musterbeispiel an Ehrgeiz und Erfolgshunger. An der Seite dieser erfahrenen Leute, die den Takt vorgeben, reifen auf den Flügeln Talente wie Marko Marin und der einige Jahre weitere Marcel Ndjeng. Ndjeng ist einer der besten Passgeber der Liga. Dahinter steht eine solide Abwehr um Roel Brouwers, und im Sturm harmonieren Nationalstürmer Neuville und der bis dato in Fußball-Deutschland gänzlich unbekannte Kanadier Rob Friend, als hätten sie schon als kleine Steppkes gemeinsam auf dem Bolzplatz geballert. In Zahlen: Oliver Neuville hat neun Saisontore erzielt, Rob Friend in Augsburg bereits seinen 14. Saisontreffer.

Es ist nichts Neues für Oliver Neuville um einen Brocken wie den 1,94-Mann Friend herumzuspielen. Schon bei Servette Genf, als sie in Deutschland nicht mal ahnen wollten, dass da in der Schweiz einer ihrer künftigen Nationalspieler kickt, hat er um einen solchen Koloss gewirbelt: Marco Grassi. Später bei Hansa Rostock – seiner ersten Station in der Bundesliga – stand er an der Seite von Victor Agali, in der Nationalmannschaft stürmte er mit Carsten Jancker. Die Kombination aus dem großen, körperlich robusten Mittelstürmer und dem immer noch wendigen Wirbeler Neuville passte immer schon. Nun heißt der Mann an seiner Seite eben Rob Friend. „Rob ist körperlich unglaublich stark, kaum vom Ball zu trennen, er gewinnt fast jedes Kopfballduell und macht auch noch Tore. Er hat alles, was ein guter Mittelstürmer braucht“, sagt Neuville, der schon mit Ulf Kirsten und anderen Weltklasseleuten zusammen gespielt hat. Und: „Wir passen als Spielertypen einfach gut zusammen. Er schafft viele Räume, die ich für mein Spiel brauche. Umgekehrt profitiert er auch von meiner Spielweise.“

Dass Oliver Neuville dabei weniger Treffer erzielt als in Vorjahren, ist Nebensache. Bei Bayer Leverkusen, als ihm der Durchbruch auch in Deutschland gelang, wurde er oft über den rechten Flügel geschickt und war einer der besten Vorbereiter der Liga. Für Tore wurde dann in der Regel Ulf Kirsten gefeiert. Aber gerade das macht den kompletten Angreifer Oliver Neuville aus. Er findet in der Regel das richtige Verhältnis aus Abschluss und Abspiel. Sieben Torvorlagen hat er bereits verbucht. Auch wenn Tore – so sind die Stürmer eben – immer etwas Besonderes sind: „Für einen Stürmer ist es immer das schönste Gefühl, Tore zu machen. Daran werden wir gemessen. Für mich ist es aber unglaublich wichtig, dass wir in der Mannschaft mehrere torgefährliche Spieler haben, das macht es mir auch leichter.“ Oliver Neuville erzählt gerne, wie gut und ausgeglichen seine Mannschaft besetzt ist. Das war nach dem Abstieg der Borussia so auch nicht zu erwarten. „Trainer Jos Luhukay und Sportdirektor Christian Ziege haben bei den Neuverpflichtungen richtig gut gelegen. Sie haben sich viele Gedanken gemacht, was in der Mannschaft fehlt und welche Typen wir brauchen und ganz gezielt die fehlenden Spieler geholt“, schwärmt der 34-Jährige. Bei der Integration der Neuen war er als „alter Hase“ dann auch besonders gefragt. Mittlerweile haben sich die Wortführer an seiner Seite gefunden. Die Hierarchie in der Mannschaft ist offensichtlich – aber gerade neu zusammen gestellte Mannschaften brauchen diese Struktur auch. Borussia hat sie. „Natürlich haben die älteren Spieler eine wichtige Funktion. Bei Borussia sind das neben mir auch Sascha Rösler, Patrick Paauwe, Alex Voigt, aber auch andere. Viele kleine Probleme klärt die Mannschaft untereinander, das ist wichtig“, sagt Neuville. Und: „Es macht einfach Spaß, in dieser Mannschaft zu spielen. Wir haben viel Qualität auf dem Platz, eine gute Stimmung in der Kabine, gute Typen – ich denke, der funktionierende Teamgeist ist der große Unterschied zur letzten Saison.“

Das klingt fast nach einem Selbstläufer, aber Oliver Neuville ist ein zurückhaltender Mensch und er hat in Genf, Teneriffa, Rostock, Leverkusen und Mönchen-gladbach auch schon zu viel erlebt, um jetzt große Töne zu spucken oder Aufstiegsgarantien auszusprechen. Stattdessen sagt er: „Wir haben vier Punkte Vorsprung auf Platz vier, das ist bei noch zehn ausstehenden Spielen nicht allzu viel. Es geht oben eng zu und das wird auch bis zum Saisonende so bleiben. Natürlich haben wir momentan als Tabellenführer die beste Ausgangssituation, trotzdem müssen wir uns jeden Punkt und jeden Sieg weiter hart erarbeiten.“

Neuville hat dieses Ziel vor Augen. Streng genommen sind es zwei Ziele, die aber irgendwie miteinander verbunden sind. Er will den Erfolg mit der Borussia, sprich die Rückkehr in die Bundesliga mehr als alles andere. „Jeder Sieg ist hart erarbeitet, auch wenn es manchmal leicht aussieht. Deshalb ist die Freude nach einem Spiel immer der schönste Moment der Woche. Darauf arbeiten wir im Training hin. Und natürlich wäre es die Krönung, wenn wir am Saison-ende in Gladbach den Aufstieg feiern könnten“, erzählt er. Dafür braucht die Borussia auch einen starken deutschen Nationalstürmer und diese starken Leistungen braucht Neuville, um den freien Platz im Angriff der Nationalmannschaft einzunehmen. Miro Klose, Mario Gomez, Kevin Kuranyi und Lukas Podolski sind wohl gesetzt. Neuville hat gute Chancen. Doch auch Stefan Kießling oder Mike Hanke hoffen auf eine Nominierung. Doch insgeheim wünscht man sich doch den schnellen Oli, dessen Onkel und Tanten in Aachen leben, bei der Europameisterschaft, oder? Neuville sagt nur: „Es wäre meine erste EM, und ich hoffe sehr, dabei zu sein.“

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