Auswärts-Herausforderung im Cottbusser Hexenkessel
Das zweite Gastspiel der Saison steht an und die Entfernung ist deutlich gewachsen: Am Samstag um 16.30 Uhr tritt die Alemannia nach einer Reise quer durch die Republik bei Mitaufsteiger Energie Cottbus an.
Der 18. Mai 2013 ist ein Tag mit Historie in den jüngeren schwarz-gelben Chroniken. An jenem Samstagnachmittag bestritt die Alemannia nämlich bislang zum letzten Mal ein Ligaspiel außerhalb von Nordrhein-Westfalen, mit einer 0:4-Niederlage beim VfL Osnabrück mussten sich die Tivoli-Kicker damals in die Viertklassigkeit verabschieden. Die gut elfjährige Serie wird ebenfalls an einem Samstag reißen und direkt einmal an einem Ort, der für Alemannen entlegener kaum sein könnte: Schauplatz des vierten Pflichtspiels der laufenden Serie ist das LEAG Energie Stadion in Cottbus, das lange Zeit Stadion der Freundschaft hieß. Die Mannschaft von Heiner Backhaus erwarte dort eine „eklige“ Atmosphäre, so formuliert es der Trainer selbst.
Und Backhaus als ehemaliger Trainer im Fußball-Osten weiß, wovon er spricht, wenn er sein Wissen über den kommenden Gegner seiner Mannschaft preisgibt. „Energie Cottbus ist ein Verein mit Tradition, den viele hier im Westen unterschätzen. Davor kann ich allerdings nur jeden warnen. Am Samstag wird es richtig ans Eingemachte gehen. Das wird kein schöner Sommerkick“, führt der Coach aus. Für seinen Schützling Felix Meyer, den Backhaus aus gemeinsamen Zeiten beim BFC Dynamo kennt, ist der FCE ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. „Das wird eklig. Stimmungstechnisch hat das Stadion dort einiges drauf“, berichtet der linke Innenverteidiger der Alemannia, der bislang alle drei Saison-Pflichtspiele über die volle Distanz bestritt.
Die Gastgeber aus der Lausitz befinden sich aktuell noch auf der Suche nach dem ersten Erfolgserlebnis der Spielzeit, es gab Liga-Niederlagen gegen Bielefeld (1:2) und in Dresden (2:4). Zudem verlor die Elf von Kulttrainer „Pele“ Wollitz ihr DFB-Pokalspiel gegen Werder Bremen am Montag mit 1:3. „Mit Blick auf die Spiele in der Liga war das sehr knapp. Vor allen Dingen eine frühe 2:0-Führung in Dresden sagt einiges über die Qualität der Mannschaft aus“, findet Backhaus. Diese Qualitäten bringt Meyer auf den Punkt: „Cottbus kann sowohl hoch anpressen als sich auch fallenlassen und dann in Kontersituationen schnell umschalten.“
Mannschaft hebt am Freitag in Richtung Brandenburg ab
Pressing – immer wieder auch eine Waffe der Alemannia, die beim bitteren Pokalaus gegen Holstein Kiel am letzten Samstag über weite Strecken wieder gut funktionierte. „Ebenso war ich vor allen Dingen in den ersten 60 Minuten mit dem Umschalten, den Zweikämpfen und der Intensität zufrieden“, konstatiert der Trainer, fügt aber gleichzeitig an: „Wir können in allen Bereichen besser werden, müssen wir auch. Gerade die Basistugenden wie das Verteidigen bei Standards müssen wir verinnerlicht haben. Wir alle sind jedoch Teil eines Prozesses, der noch lang nicht zu Ende ist.“
Ein Prozess ist auch die noch junge Karriere von Neuzugang Meyer, den auszeichne, „dass er nicht abhebt“, wie Backhaus herausstellt. Der 22-Jährige sei außerhalb des Platzes nach eigenen Angaben eher der ruhigere Typ, auf dem Platz jedoch bricht es regelmäßig aus ihm heraus – emotionale Anfeuerungsgesten in Richtung des Publikums sind die Folge. „Ich mag es einfach, wenn das Stadion abgeht“, grinst der Defensivmann. Die ein oder andere motivierende Geste nach einem erfolgreichen Tackling wird sicherlich auch in Cottbus wieder drin sein, dann werden im Gästeblock mindestens 700 Fans stehen. Weitere 500 Tickets sind noch an der Tageskasse zu haben.
Die Mannschaft wird am Freitagmittag nahezu in Vollbesetzung mit dem Flieger in Richtung Cottbus abheben, lediglich Charlison Benschop (nach Roter Karte gesperrt) und Keeper Leroy Zeller (krank) sind keine Option für das Auswärtsspiel. Dazu ist Langzeitpatient Anas Bakhat noch im Aufbau. Mit dem Auto oder der Bahn dauert die etwa 730 Kilometer Anfahrt derweil deutlich länger. Wer die lange Reise nicht antritt, kann alternativ auf den 100,5 Alemannia Livestream sowie den Video-Livestream von MagentaSport zurückgreifen. Zudem steht wie immer der Alemannia-Liveticker bereit.
Die Bilanz gegen die Lausitzer listet 16 Duelle, wovon Energie acht für sich entscheiden konnte. Je viermal gab es einen Alemannia-Sieg beziehungsweise ein Remis. Zuletzt trafen die Mannschaften 2012 in der 2. Bundesliga aufeinander. Schiedsrichter der Partie des 3. Spieltags ist Luca Jürgensen aus Hamburg. Ihm assistieren Fabian Porsch und Ben Henry Uhrig an der Seitenlinie sowie Niclas Rose als Vierter Offizieller.
FC Energie Cottbus: Bethke – Rorig, Kusic, Slamar, Bretschneider (77. Borgmann) – Pelivan – Krauß, Cigerci, Möker (61. Pronichev), Halbauer (61. Copado) – Thiele / Trainer: Claus-Dieter Wollitz
Alemannia Aachen: Johnen – Hanraths, Rumpf, Meyer – Winter, Bahn, El-Faouzi (85. Makanda), Strujic (79. Töpken) – Heinz, Goden (66. Marquet), Scepanik / Trainer: Heiner Backhaus
1:0 Rorig (19.), 1:1 Heinz (52.), 2:1 Borgmann (90.+8)
Hanraths (22.), Krauß (23.), Rumpf (68.), El-Faouzi (70.), Johnen (90.+2)
7 / 4
Luca Jürgensen (Hamburg) – Fabian Porsch, Ben Henry Uhrig
9.218 (davon ca. 850 aus Aachen)
32 Grad, sonnig
Alemannia unterliegt Energie Cottbus mit 1:2
Das Auswärtsspiel bei Energie Cottbus endete nach einem bitteren Lucky Punch durch Axel Borgmann (90.+8) kurz vor Abpfiff 2:1 (1:0) für die Hausherren. Henry Rorig hatte den FCE in der ersten Halbzeit zuvor in Front geschossen (19.), Anton Heinz antwortete für die Alemannia nach der Pause (52.). Das Aufsteigerduell sahen an diesem heißen Samstagnachmittag 9218 Fans im LEAG Energie Stadion.
Eine Woche nach dem Pokalfight gegen Holstein Kiel war Alemannia-Coach Heiner Backhaus in der Lausitz zu einer Umbaumaßnahme in der Startelf gezwungen: Für den rotgesperrten Charlison Benschop stürmte Kevin Goden. Ansonsten begann die gleiche Elf in Schwarz und Gelb, die dem favorisierten Bundesligisten sieben Tage zuvor ordentlich Probleme bereitet hatte. Und auch im tiefsten Brandenburg begannen die von gut 800 Fans angefeuerten Kaiserstädter mutig: Kapitän Mika Hanraths verpasste den frühen Führungstreffer nach einer Heinz-Ecke mit dem Kopf nur knapp (6.). Cottbus hatte zu Beginn etwas mehr Ballbesitz, die Alemannia die zwingende Chance: Goden startete auf der rechten Offensivseite im Umschalten den Turbo, hing Gegenspieler Filip Kusic ab und legte quer auf den freien Lukas Scepanik – der linke Außenstürmer scheiterte an Energie-Keeper Elias Bethke (13.).
In der Folge berappelten sich die schon zu Beginn der Saison kriselnden Cottbuser, die alle drei Auftakt-Pflichtspiele verloren hatten. Vor heimischem Publikum sollte nun der erste Sieg her und die Mannschaft von Pele Wollitz schien sich zunehmend daran zu erinnern. Allen voran Tolcay Cigerci versprühte eine enorme Gefahr vor dem Tor von Marcel Johnen, immer wieder suchte er selbst den Abschluss oder fütterte seine Außenstürmer mit Schnittstellenpässen. Maximilian Krauß fand noch in Marcel Johnen seinen Meister (17.), besser machte es dann Rorig: Der Rechtsverteidiger hatte nach Zuspiel von Yannik Möker zu viel Platz auf seiner Seite und traf aus 30 Metern sehenswert ins linke obere Eck zum 1:0 (19.). Die Alemannia wirkte etwas zu passiv in dieser Phase, gab Energie zu viele Räume.
Doch Chancen hatte die Backhaus-Elf selbst allemal. Der völlig blanke Sasa Strujic wurde von Scepanik auf der linken Seite bedient, sein Abschluss geriet einen Tick zu hoch (34.). Dann war es wieder Goden, der im Mittelpunkt stand: Einen tödlichen Sahnepass von Soufiane El Faouzi nahm der Mittelstürmer etwa 25 Meter vor dem Tor auf und zwirbelte den Ball am weit vor dem Kasten stehenden Bethke vorbei an den rechten Außenpfosten – Pech! (42.). „Wir haben einfach heute unsere Chancen nicht verwertet“, fasste Hanraths nach dem Spiel zusammen. Nach besten Torgelegenheiten hüben wie drüben und mit einer knappen Energie-Führung ging es in die Pause.
Energie bestraft schwarz-gelben Chancenwucher
Diese sollte in Durchgang zwei jedoch nicht lange Bestand haben. Krauß verpasste nach Arjen-Robben-Gedächtnisalleingang das vorzeitige 2:0 (47.), was Heinz auf der anderen Seite fünf Minuten später bestrafte. Einen Fehlpass von Dennis Slamar erlief der wache Felix Meyer, setzte seinen Torjäger in Szene und beobachtete, wie Heinz unter Bedrängnis per trockenem Schuss den Ausgleich erzielte (52.). Weniger Zeigerumdrehungen später hätte Goden auf 1:2 stellen müssen, scheiterte aber erneut frei vor Bethke an eben jenem (56.).
Die starke Drangphase der Gäste fand mit der Cottbuser Hereinnahme von Maximilian Pronichev und Lucas Copado nach einer guten Stunde jedoch erst einmal ein Ende. Die Lausitzer warfen angetrieben von den eigenen Fans den Offensivmotor an und sollten die Backhaus-Elf gerade in der Schlussviertelstunde regelrecht in der eigenen Hälfte einschnüren. „Das müssen wir analysieren, warum wir die Situationen hinten raus nicht mehr verteidigt kriegen“, monierte der Alemannia-Coach. Zunächst verstolperte Mittelstürmer Timmy Thiele nach einer Linksflanke von Niko Bretschneider frei vor Johnen (70.), dann scheiterte Pronichev im Eins-gegen-Eins am Aachener Schlussmann (90.). Rorig wiederum mit einem Sonntagsschuss traf nur den linken Pfosten (90.+3).
Die fünfminütige Nachspielzeit war anschließend schon abgelaufen, was Schiedsrichter Luca Jürgensen wenig zu interessieren schien. Er ließ noch eine Eckballstafette von der rechten Seite zu, die dritte landete über Umwege beim eingewechselten Borgmann – der gerade von einem Kreuzbandriss zurückgekommene Energie-Kapitän beförderte den Ball aus großer Distanz in den Winkel, 2:1 (90.+8). Es war der bittere Schlusspunkt eines Nachmittages in Cottbus, an dem für die Alemannia deutlich mehr drin gewesen war. Ein „beschissenes Gefühl“ nannte es Backhaus am Ende. Jetzt heißt es Mund abputzen und weitermachen – nächste Woche kommt Tabellenführer Aue.