Do, 7. April 2016

"Auf dem Hubschrauberlandeplatz"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Velbert

Vor kurzem putzte meine Frau die Kristallgläser – hoher Besuch hatte sich angesagt. Mein Patenkind hatte seine Spielzeugautos eingepackt, um unser Wohnzimmer auf links zu drehen. Kein Thema – ist doch Besuch von dreijährigen Hosenscheißern bei uns zu Hause auch gleich immer eine willkommene Gelegenheit zur fußballerischen Umerziehung. Und die ist gerade bei dem kleinen Jakob schwer vonnöten, hat ihm sein alter Herr doch eisern alle Namen des Mönchengladbacher Bundesliga-Kaders eingetrichtert und fragt sie mit schöner Regelmäßigkeit immer dann unbarmherzig ab, wenn ich in der Nähe bin.

Zum Glück wissen Kinder in diesem zarten Alter noch gar nichts von Regionalligen, 2:0 Vorsprüngen oder Mannschaften wie Wegberg-Beeck. Wüssten sie davon, wären sie wahrscheinlich deutlich schwerer von einem Verein zu überzeugen, der gerade im Niemandsland des deutschen Rumpelfußballs irgendwo zwischen Rot-Weiss Essen und dem SC Verl herum eiert. Da sie aber nichts von all dem wissen, reicht oft schon so etwas wie die Lieblingsfarbe aus, um ein bisschen frühkindliche Gehirnwäsche zu vollziehen. Jakobs Lieblingsfarbe, so erzählte er mir nämlich stolz, ist dunkelgelb, so wie der Lack auf dem ersten Matchbox-Auto seines Vertrauens. Seine Augen leuchteten, als ich ihm erzählte, dass das auch meine Lieblingsfarbe sei und es da sogar eine ganze Fußballmannschaft gäbe, die komplett in dunkelgelb spielen würde. „Und weißt Du was? Die haben nicht nur die schönsten Trikots, die sind auch richtig, richtig gut“, log ich kein bisschen verlegen und der guten Sache gewiss. Um den Bock fett zu machen, schlug ich schließlich kurzerhand vor, dass wir ab sofort immer dann gemeinsam „Aachen!“ sagen würden, wenn der ebenfalls dunkelgelbe Hubschrauber – an diesem Nachmittag Jakobs Lieblingsspielzeug – irgendwo im Wohnzimmer landen würde. Gesagt, getan! Ab diesem Moment ertönte alle paar Sekunden „Aachen“ im Landeanflug und die Bindung an diese dunkelgelbe Fußballmannschaft konnte sich Landung für Landung verfestigen – mir doch egal, wie finster der Papa des kleinen Jakob am Kaffeetisch vor sich hin kochte. Wenn der Hubschrauber nun mal dunkelgelb landet – nicht meine Schuld!

Ich frage mich oft, ob man in die Hölle kommt, wenn man andere Menschen mit in die tiefen dunkelgelben Abgründe zieht. So wie etwa den Taxifahrer, der mich vor kurzem durch Amsterdam fuhr und mich eigentlich nach dem Champions League Achtelfinale der Bayern gegen Juventus Turin ansprach. „Habe ich nicht geguckt“, log ich auch im Ausland und verwies den Kutscher darauf, dass ich Fan von Alemannia Aachen sei, von denen er aber wahrscheinlich noch nicht gehört habe, die aber noch mal viel besser als Bayern seien. Zu meiner Überraschung hatte er doch schon von diesen Aachenern gehört, von Erik Meijer zum Beispiel und von Boy Waterman. In welcher Liga wir denn mittlerweile spielen würden, fragte er und nach kurzem Zögern antwortete ich wahrheitsgemäß, ohne aber vergessen zu erwähnen, dass wir sicher bald wieder da seien und dann sein Team – Ajax Amsterdam – bald im Europapokal treffen würden. Ziemlich beeindruckt von der Aachener Fußballkunst nahm er ein generöses Trinkgeld entgegen und ließ mich in dem Glauben zurück, einen weiteren dunkelgelben Kollegen gewonnen zu haben. Wer ist schon Ajax Amsterdam?

Das wusste ein Freund von Carl sicher nicht, als ich ihn nach einem Kindergeburtstag im Auto mit nach Hause nahm, ohne von ihm zu verlangen, sein rot-weißes Trikot des lokalen Vereins zu wechseln. Wahrscheinlich hätte das den von seiner Mama liebevoll „Hase“ genannten Kollegen auch schwer verstört. Nicht anders war das Gespräch zu erklären, das sich auf meiner Rückbank abspielte. Der Hase fragte meinen Sohnemann – vorbildlich in dunkelgelb gekleidet – in welcher Liga dieses Aachen eigentlich spielen würde, etwa in der zweiten? Kleinlaut gab Carl „Liga Vier“ zu Protokoll und schaute verlegen zum Fenster raus. Vielleicht sollte in solchen Momenten einmal einer unserer Spieler auf dem Beifahrersitz sitzen, um mitzuleiden – könnte schnellere Beine machen. Zum Glück hat nicht jeder so einen Vater wie Carl, der beherzt ins Gespräch eingriff, als der Hase laut überlegte, wie dieses rätselhafte Aachen denn wohl gegen sein Köln spielen würde. „Haushoch gewinnen würden sie“, rief ich ein bisschen zu laut nach hinten und nutzte die fehlende Fachreife eiskalt aus. „Wir spielen nur in dieser Liga, weil wir das wollen“, erklärte ich und zwinkerte meinem Kleinen zu, der leicht versonnen in sich hinein grinste. Warum ließ ich offen, hätte auch keine Antwort parat gehabt, wusste aber, dass der Hase schon aufgrund meiner Lautstärke keine Gegenfrage wagen würde.

Dunkelgelb sind unsere Farben und wenn sie schon nicht im Stadion verteidigt werden können, immer dann, wenn man selbst ins Spiel kommt – etwa dann, wenn man im Taxi sitzt, einem Hasen die Welt erklärt oder eben wenn ein dunkelgelber Hubscharuber landet. Dann ruft man: „Aachen!“ Was denn sonst?

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