Mo, 10. August 2015

"Dicke Mädchen am Spielfeldrand"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Gladbach-Spiel

„Kennen Sie Djibril Sow?“ – was klingt wie ein neues cineastisches Werk der Coen Brothers mit John Goodman in der Hauptrolle, ist in Wahrheit die große Hoffnung von Borussia Mönchengladbach – also der Zweiten von Borussia Mönchengladbach. Djibril Sow ist Jahrgang 1997, also zu einer Zeit geboren, als ich auch noch in einer zweiten Mannschaft spielte, aber ziemlich weit davon entfernt war, irgendeine große Hoffnung zu sein.

Mal ehrlich: Zweite Mannschaften haben noch nie irgendwo auch nur einen vernünftigen Menschen interessiert. In Stockheim, wo ich damals fester Bestandteil des Mittelfelds einer zweiten Mannschaft war, kannte man uns eher vom weg gucken und wenn man doch hinschaute, war die Reaktion eher ein Kopfschütteln, denn ein vielleicht anerkennendes Nicken. Nachdem selbst mein Vater irgendwann mit den Worten „Das tue ich mir nicht mehr an!“ desillusioniert aufgehört hatte, unsere Spiele zu besuchen, kamen nur noch zwei dicke Mädchen an den Spielfeldrand, von denen eine mit unserem Vorstopper liiert war, der in unserem Mannschaftskreis ob seines beeindruckenden Gemächts nur „Die Zucchini“ genannt wurde, was aber ein anderes Thema ist oder war.

Ob Djibril Sow ein beeindruckendes Gemächt hat, wage ich nicht zu spekulieren und es ist am Ende auch egal. Viel wichtiger ist nämlich, dass zweite Mannschaften nicht nur in den Untiefen der Dürener Kreisligen völlig belanglos sind, sondern eben auch in den von dort aus gesehen vermeintlichen Höhen der Regionalliga. Und doch bevölkern sie die Regionalligen wie hoffnungsvolle Nachwuchstalente ihre Kader. Borussia Dortmund, Schalke 04, Fortuna Düsseldorf, der 1. FC Köln und eben Borussia Mönchengladbach im Westen, der VfL Wolfsburg, der Hamburger SV, der FC Bayern, der 1. FC Nürnberg und fast jeder Zweitligist in den anderen Regionalligen. Sie sorgen mit ihren Mannschaften für kontinuierliches Desinteresse an deren Spielen und ganz nebenbei für ein gehöriges Maß an Wettbewerbsverzerrung.

Es ist gerade mal ein paar Wochen her als nicht etwa Alemannia Aachen und der VfB Lübeck oder von mir aus der SV Meppen um den Aufstieg in die dritte Liga spielten, sondern die Zweitvertretungen von Werder Bremen und eben Borussia Mönchengladbach. Anstelle von ausverkauften Stadien bedeutete das zwei Mal knapp 4.000 Zuschauer, die in den Vereinsgazetten in Bremen und Mönchengladbach wie eine wahre Zuschauerexplosion gefeiert wurden. Statt Tränen, Euphorie und totaler Leidenschaft auf den Rängen hieß es an Niederrhein und Weser damals: „Schönes Wetter heute, da gehen wir mal hin!“. Na Dankeschön! Aufgestiegen ist damals Werder Bremen, was schon eine halbe Stunde später allen Beteiligten außerhalb der Umkleidekabine herzlich egal war.

Neben Djibril Sow könnten in diesem Jahr noch ganz andere Namen in den Regionalligen auflaufen. Im Sekundentakt laufen derzeit die von Bundesliga-Trainern angekündigten Härtefälle über die Ticker der Nachrichtendienste und man muss – Achtung Floskel – wahrlich kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass eben genau diese Härtefälle bald in Aachen, Oberhausen oder Verl ihre Chance bekommen, sich wieder ins Blickfeld zu spielen. Wettbewerb sieht anders aus.

Kurz: Wer braucht eigentlich zweite Mannschaften, außer vielleicht die dicken Mädchen am Spielfeldrand? Richtig, niemand braucht sie! Ich jedenfalls nicht! Trotzdem will ich sie auch niemandem wegnehmen. Die sollen machen, was sie wollen. Nur mich sollen sie gefälligst in Ruhe lassen. Und damit sie das tun, habe ich auch gleich eine Lösung parat. Wie wäre es mit der Wiederbelebung der guten alten deutschen Amateurmeisterschaft? Jene Meistershaft, bei der früher Rot-Weiss Essen und Jülich 10 dominierten? Her damit! Da könnten sich alle Zweitvertretungen der Profimannschaften tummeln wie sie wollten. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit könnten sie kicken, nur vor ein paar Spielerberatern übelster Sorte und so ihren Zweck erfüllen, der eben einzig und allein darin liegt vielversprechenden Jungs wie Djibril Sow ein bisschen Spielpraxis zu geben.

Der gibt dann alles gegen all die anderen Djibril Sows, nur um irgendwann einmal vor einem ausverkauften Haus voller leidenschaftlicher und kompromisslos zu ihrem Verein stehenden Fans zu spielen – so etwa wie in Aachen, Offenbach oder ja von mir aus auch Essen. Und da man ja nett sein soll zu seinen Gästen, wünsche ich Djibril Sow, Jahrgang 1997, genau das für seine fußballerische Zukunft. Bis dahin kann er von mir aus Deutscher Amateurmeister werden. Davon hätten dann alle etwas.

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