Fr, 13. November 2015

"Ein Buch ohne Sangare"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Verl

Autorenfeste des WERKSTATT-Verlags in Göttingen sind Veranstaltungen, die größer sind als alles, was Du glaubst bisher erlebt zu haben – wenigstens im fußballerischen Zusammenhang: Dort treffen Leute aufeinander, die Fußball-Bücher schreiben, ohne die die Welt ein bisschen ärmer wäre: eine Biografie über Torsten Mattuschka, Eintracht Frankfurt anekdotisch oder Rot-Weiss Essen vor, im und nach dem Krieg, also „Rot-Weiss Essen, Immer“.

Natürlich wird in einem solchen Löwenkäfig deutlich zu viel getrunken, zum Beispiel wenn Du am Stehtisch in einer Runde mit fünf völlig durchgeknallten Fußball-Innovatoren stehst, von denen einer um Ruhe bittet und feierlich einen Satz sagt, wie: „Leute, ich denke gerade daran, ein Buch über Anzeigentafeln zu schreiben.“ Vielleicht hat es noch nie jemand versucht, aber es gibt nicht wenige, die sagen würden, dass man mit solchen Sätzen bei 9 von 10 Frauen jeder Gewichts- und Gehirnklasse fatal abblitzen würde. Und es gibt ebenfalls nicht gerade wenige Menschen, die sich in solchen Momenten entgeistert und leicht kopfschüttelnd angucken und dann aus dem Staub machen. Nicht hier, nicht in Göttingen, wo die Anzeigentafel-Idee sofort mit dem Prädikat „Absolute Weltklasse!“ gefeiert wird und zu einer intensiven Diskussion darüber führt, ob die Anzeigentafel in Darmstadt oder die in Zwickau mehr Seiten als die andere in diesem epochalen Band verdient hätte. Keine Frage: Egal, wie lächerlich eine Fußball-Idee auch anmuten mag, für WERKSTATT-Autoren ist sie in jedem Fall eine echte Nische und der endgültige Durchbruch zur ersten Million.

Ein Buch über Alemannia Aachen zu schreiben, wäre momentan wahrscheinlich eher eine echte Prüfung – sollte man meinen. Blieben wir bei der Anzeigentafel-Idee, würde es nach aktuellem Stand ein arg deprimierendes Werk werden. Mal ehrlich: Eine Anzeigentafel auf der der Name „Nazim Sangare“ auftaucht, ginge derzeit komplett über meine Kräfte. Allerdings: Es könnte vielleicht wirklich jemand darüber schreiben, dass es immer und immer wieder die ehemaligen Aachener sind, die hier am Tivoli keinen stehenden Möbelwagen trafen, während sie nun anderswo die Bäume so ausreißen, als hätten sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes gemacht. Leipertz in Heidenheim, Junglas in Bielefeld und Stiepermann in Fürth spielen respektable Rollen in der zweiten Liga. Baumgärtel, Erb, Herzig oder Engelbrecht sind die einzigen Gründe, warum ich ein 3.Liga-Team im KICKER Managementspiel laufen habe und dabei in der Punkteausbeute im oberen Tabellendrittel absolute Tuchfühlung zur Spitze habe. Und auf Marcel Heller darf mich sowieso niemand mehr über 18 ansprechen.

Es mag Zufall sein, dass der geschätzte Kollege und Alemannia-Blogger Tim Habicht just in dieser eher betrüblichen Situation ein Buch auf den Alemannia-Markt wirft, das weder Anzeigetafeln noch Junglas oder Heller thematisiert, sondern Gründe verzeichnet, warum man Alemannia eigentlich noch lieb haben soll – und zwar nicht zehn, nicht zwanzig, nicht dreißig – nein gleich satte hundertundelf Gründe sollen es sein. „Was? So viele gibt es noch?“, mag der ein oder andere da unwillkürlich denken und sie selbst im Geiste mal durchgehen. Diese Gründe: Stadionwurst? Nö – schmeckt gerade etwas dünn, weil nicht lang genug auf dem Grill. Aktuelle Mannschaft? Na ja- da braucht man schon eine gute Portion Willen. Stadion? Hm – gibt ja kein anderes. Ja – was denn jetzt? Ja, ja – es gibt schon einige: Leidenschaft auf den Rängen – ja - gebongt! Das Gottvertrauen in alte Zeiten – ja auch das! Und die Hoffnung, die eben immer erst zuletzt stirbt – ja auch die! Bleiben noch einhundertacht. Junge, Junge – bin ich gespannt auf das Buch!

Bis ich es in den Händen halte, schaue ich mich noch ein bisschen im WERKSTATT-Programm um. Und wenn da jemand 300 Seiten über Torsten Mattuschka füllen kann und ein Bildband über die Anzeigentafeln in Darmstadt oder Zwickau möglich ist, dann muss es auch einen Wälzer mit Argumenten für Alemannia geben. Und wenn ich ehrlich bin: Vielleicht brauche ich das gerade auch, jemanden, der mir noch mal sagt, was Sache ist und warum es einfach geil ist, Alemannia zu lieben. Und ganz vielleicht schreibe ich dann auch selbst noch mal ein Alemannia-Buch – eines über Anzeigetafeln zum Beispiel, über Anzeigentafeln, auf denen niemand den Namen „Nazim Sangare“ lesen muss. Das wäre doch schon mal ein Anfang.

Verwendung von Cookies

Diese Seite nutzt Cookies für Google-Analytics. Sie können Cookies akzeptieren oder ablehnen und Ihre Entscheidung jederzeit ändern.

Weitere Informationen erhalten Sie hier.

Ablehnen Akzeptieren

Einstellungen

Weitere Informationen erhalten Sie hier.

Ablehnen Akzeptieren
Cookie Einstellungen Historie

Historie

alles löschen Schließen