Do, 7. August 2014

"Ein gutes Gefühl"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Heimspiel gegen Hennef

Das Aachener Klinikum ist einer dieser eher deprimierenden Orte, die einen – wenn man sie besuchen muss – aber immer wieder an das Wesentliche im Leben erinnern. Als ich vor einiger Zeit viel zu oft dort hin musste, um meinen Papa zu besuchen, erinnerte er auch mich daran, dass es wichtigeres gibt als Fußball. Trotzdem war der auch hier, kurz nach diesem so unglaublichen WM-Sommer, allseits präsent. Immer den KICKER unter dem Arm machte ich mich auf zur Station und ließ dort gemeinsam mit meinem alten Herrn und seinem Zimmernachbarn aller Scheiße zum Trotz die großen WM-Momente noch mal ordentlich Paroli laufen – Schweinis Kampf, Götzes Tor und Argentiniens Tränen. Bei solchen Themen war es denn auch nicht besonders verwunderlich, dass der ein oder andere Pfleger mal das Pflegen beiseite ließ und sich für ein paar Minuten unserer ganz privaten Doppelpass-Runde, diesmal nicht von Krombacher, sondern von der deutschen Pharma-Industrie gesponsert, rege anschloss. Gut, dass es in solchen Momenten den Fußball gibt – denn er lenkt eben auch oft genug ab von den Dingen, die so viel wichtiger sind als er selbst – wenigstens für ein paar Minuten.

Unverzichtbar für solche kurzen Momente der Ablenkung ist der Kiosk gleich am Eingang dieses monströsen Krankenhauses. Denn hier deckst Du Dich ein mit der ganzen Fachliteratur, die unerlässlich ist für versierte Fußball-Runden, wie die unsrige auf Station 9. Dort traf ich auch diesen Jungen, der mit seiner Mutter auf der Suche nach etwas zu lesen war und dem es ganz offenkundig auch nicht wirklich gut ging. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack, den scheinbar niemand richtig zu würdigen wusste. Denn noch ganz im Deutschland-Rausch befindlich, geht ein Alemannia-Wappen schon mal gerne unter. Ehrensache also, dass ich dem kleinen Mann ganz väterlich auf die noch schwache Schulter klopfte und ihm zu seinem Rucksack gratulierte. Etwas verduzt bedankte er sich und brauchte ein paar Sekunden, um adäquat zu reagieren. Dann tat er es aber doch und hob die rechte Hand, um abzuklatschen. „Guter Mann,“ dachte ich so bei mir, schlug ein und legte per Small-Talk noch einmal nach: „Und? Steigen wir auf, dieses Jahr?“ Die Antwort kam schnell, als hätte sie schon lange darauf gewartet, gesagt zu werden: „Ja! Ich habe ein gutes Gefühl!“ Bäm! Ein gutes Gefühl! In all dem Scheiß gab es tatsächlich ein gutes Gefühl für Alemannia! Nicht, dass das wichtig wäre oder irgendetwas besser machen würde. Aber es war nun mal da und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass es half, dass es da war – dieses gute Gefühl! Also, sagte ich auch, dass ich eines hätte – auch wenn ich bis dahin, eher keines hatte beziehungsweise noch gar keine Zeit gehabt hatte, überhaupt eines zu entwickeln. In dem Moment bekam ich aber eines. Wir fachsimpelten noch ein bisschen und wünschten uns gegenseitig Glück, was wir wohl beide gut gebrauchen konnten – ganz ohne Alemannia.

Als Dominik Ernst, den ich bis dahin noch nicht wirklich kannte, am letzten Sonntag in Wattenscheid traf, dachte ich noch einmal an diesen Moment. Ein Treffer in der letzten Minute – saucoole Sache! Ein Sieg zum Auftakt einer Saison – supergeil! Mit drei Punkten ins erste Heimspiel der Saison und das auch noch unter Flutlicht – ganz großes Kino! Ich kann es jedenfalls kaum erwarten. Gut, dass es Fußball gibt und gut, dass es Alemannia gibt – beides lenkt so formidabel ab, von den Dingen, die so viel wichtiger sind als alles andere, wenigstens für 90 Minuten und vor allem: für ein gutes Gefühl, was den Aufstieg angeht.

 

Mehr von Sascha Theisen gibt es unter www.torwort.de

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