"Gespräche in der Sauna"

Es ist eine Frage, die einem wie mir ständig begegnet. Und ich beschwere mich auch nicht darüber, schließlich bin ich es, der seine Obsession für Alemannia und alles, was mit Fußball zu tun hat, so stolz vor sich her trägt wie Bud Spencer seinen Bart im Gesicht. „Was macht eigentlich Alemannia?“

Das letzte Mal stellte man mir diese Frage vor ein paar Wochen in einer finnischen Sauna. In der saßen fünf Männer mit zu dicken Bäuchen und zu dünnen Beinen und redeten bei 90 Grad Celsius über Fußball. Über was auch sonst? Klar, dass Alemannia da schnell auf der Tagesordnung stand.

„Wo spielen die denn jetzt eigentlich? Sind die wirklich in der dritten Liga?“ Nicht immer sind alle so gut über Alemannia und das, was ihr und uns in den letzten Jahren widerfahren ist, informiert, wie man sich das eigentlich wünscht. Auf der anderen Seite schauen Fans des FC Bayern oder von Borussia Dortmund eben nicht tiefer als zur zweiten Liga und selbst das auch nur dann, wenn sie selbst gerade spielfrei haben. In den letzten Jahren waren derartige Gesprächsrunden – die neben finnischen Saunen oft auch in dunklen Kneipen, auf zu langen Autofahrten oder mitten in beruflichen Treffen stattfanden – nicht immer schön und meist erntete ich nicht eben bewundernde, sondern vor allem mitleidige Blicke, wenn ich von der Misere rund um den Tivoli erzählte. Immerhin war die ganze Talfahrt eine interessante Geschichte, die – wenn man sie richtig erzählt – schon dafür sorgen kann, dass einem bei 90 Grad auf einmal ein Schauer über den Rücken läuft – ein Schauer der Sorte „Laß-das-meinem-Verein-bitte-nicht-passieren-lieber-Gott“. Anteilnahme ist natürlich nie verkehrt, wenngleich Mitleid irgendwie auch Scheiße ist! Aber mal ehrlich: Wo kann man sich denn sonst noch ein ganzes Stadion für einen Euro kaufen?

Egal, bei besagtem Alemannia-Talk in der finnischen Sauna bei einem Kirsch-Aufguss war alles anders als sonst – optisch sowieso, aber eben auch inhaltlich. Endlich gab es mal kein Mitleid, sondern sogar eine gute Prise Neid! Denn nachdem ich klar gemacht hatte, in welcher Liga wir wirklich spielen und dass dort Gegner wie Hennef 05, der FC Kray oder der SV Rödinghausen auf uns warten, stellte sich zwar zunächst doch wieder der unvermeidliche schonungslos milde Blick des Mitleids ein, aber als ich dann den Start in die Rückrunde in die schwitzende Debatte warf, war dieser ganz schnell Geschichte. „Echt? Ausverkauft? In der vierten Liga? Krass!“. Genau das! Denn zum ersten Mal seit langer Zeit musste ich nicht von diesen größenwahnsinnigen Typen erzählen, die ein viel zu großes Stadion gebaut hatten und damit schon die Sargnägel für die beinahe stattgefundene Beerdigung geschmiedet hatten. Dieses Mal erzählte ich von einer richtig guten Mannschaft, von Last-Minute-Toren gegen Viktoria Köln und von dem Traum am Ende tatsächlich aufsteigen zu können, den man als aktueller Tabellenführer schließlich locker träumen dürfe. „Wer liegt denn noch vorne?“ kam es von meinem Handtuch beschüzten Gegenüber. „Na Rot-Weiß Essen und die kommen eben jetzt zu uns!“ Ungläubige Blicke auf der anderen Seite: „Hammer! Was ist das denn für ein großes Spiel? Kannst Du dafür noch Karten besorgen?“ Kann ich natürlich nicht und wollte ich auch nicht. Das Ding gehört mir und all den anderen Verrückten da draußen, die sich in den letzten Jahren durch finnische Saunen, dunkle Kneipen und viel zu lange Autofahrten diskutieren mussten, dabei den Blick senkten, weil sie weder aus noch ein wussten. Dieses Spiel ist ihre Belohnung!

Zwei Fanblöcke auf Augenhöhe, stakkato-mäßige Anfeuerung, Hoffen, Bangen, Verzweiflung, Aufbruch und am Ende – so Gott will – Jubel und Ekstase. Das bekommst Du nicht alle Tage! Und wenn ich so daran denke, klingt mir wieder die Frage im Ohr: „Was macht eigentlich Alemannia?“ Und dann merke ich, wie ein überlegenes Lächeln über mein Gesicht fährt und dann denke ich: „Na steil gehen die, aber mal so richtig!“