Do, 16. April 2015

"Nutze den Tag!"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Gladbach II

Es ist nicht erst ein paar Tage her, da saß ich mit Eva Müller im Dürener Adenauer Park auf einer Bank. Der Adenauer Park war nicht weit weg von der letzten Station der Freitag Nacht, dem Ort, der als letzter noch Musik spielte, Bier ausschenkte und eben Menschen wie Eva Müller und mich zusammenbrachte. Nur damit wir uns richtig verstehen: Eva Müller war eine nukleare Erscheinung – eine der Frauen, die immer in einer anderen Liga spielte als man selbst. Unerreichbar und trotzdem der Traum meiner schlaflosen Nächte. An diesem Abend schien alles anders und sie schien erreichbarer denn je, denn wir saßen auf dieser Bank, starrten in die lauwarme Nacht und es fehlte nicht viel bis zum Befreiungsschlag. Ich weiß nicht, ob wir wirklich nah dran waren, mehr als ein Gespräch aus dieser Nacht zu machen, in jedem Fall war ich aber kurz davor, mich in eine gute – nein: eine unschlagbare Ausgangssituation zu bringen. Wie so oft, versiebte ich diese Chance nicht nur, ich vertändelte sie nach allen Regeln der Kunst. Völlig verschleiert vom Nebel des Alkohols der Nacht redete ich mich um Kopf und Kragen, so dass Eva Müller die Szenerie früh verließ und ich alleine auf dieser Bank im Adenauer Park blieb. Nutze den Tag! Nute die Nacht! Ich nutzte nichts!

Das Leben ging zwar weiter und das gar nicht mal schlecht, aber auf der anderen Seite wäre es schon nett gewesen, zu sehen, was gegangen wäre, wenn ich mich nur einmal in meinem damals so verpeilten Leben vernünftig angestellt hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette! Die Sache war gelaufen! Für immer!

In den letzten Wochen musste ich oft an diese Bank und an diese Nacht zurückdenken. Zwar hatte Eva Müller nichts, aber auch gar nichts mit Alemannia am Hut. Aber dafür spielte sie in einer Liga, in die ich zwar wollte, für die ich aber deutlich mehr Format hätte zeigen müssen. Stattdessen riss ich mit meinem Hintern in kürzester Zeit ein, was ich mir vorher mühsam aufgebaut hatte. Alemannia scheint momentan ähnliches vorzuhaben. Denn wenn die 3. Liga Eva Müller und ich die Regionalliga war, dann ist die Situation am Ende eben doch ein bisschen vergleichbar.

Es ist gar nicht mal lange her, dass Mannschaft, Verein und Fans in Aachen ein harmonisches Bild voller Zuversicht, Hoffnung und Stärke abgaben. Eine Lage, die noch vor knapp 18 Monaten völlig unerreichbar schien – damals als der Verein auf der Intensivstation lag und von „Eva-Müller-Sphären“ so weit weg schien wie Tim Wiese vom kleinen Latinum. Ich selbst feierte diese Situation in einer meiner letzten Kolumnen euphorisch ab und bereitete mich innerlich längst auf die bevorstehende Relegation vor.

Die Situation hat sich verändert, die Stimmung hat sich gedreht und plötzlich scheinen alle, jeder für sich, ganz alleine auf einer Parkbank zu sitzen – Medien, Mannschaft, Verein und Fans. Die Aachener Zeitung hat nichts Besseres zu tun, als einen innerbetrieblichen Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen gegen den sich die Kontrahenten auch nicht verwehren. Teile der sportlichen Mannschaft machen unnötig den weiteren Verbleib in Aachen von der Liga-Zugehörigkeit abhängig, was zwar ihr gutes weil existenzielles Recht ist, aber auch später hätte diskutiert werden können und zum guten Schluss mündete dieser ganze Schlamassel fast folgerichtig in sportlichen Bankrotterklärungen gegen Mannschaften aus Bonn und Kray, die von Teilen der Fans mit Plastikflaschen-Bombardements quittiert wurden. Kurz: Eine eben noch beneidenswerte Situation drehte sich innerhalb von nur knapp zwei Wochen zu einer, die man so schnell eigentlich nicht mehr erleben wollte als Alemannia-Fan, der in den letzten drei Jahren so tief durch stinkenden Schlamm gewatet sind, dass es für die nächsten dreißig eigentlich reichen sollte.

In dieser Situation kommt nun der Tabellenführer nach Aachen, mit drei Punkten Vorsprung, bei einem ausstehenden Nachholspiel – eine eigentlich aussichtslose Situation. Oder anders gesagt: Die dritte Liga spielt im Moment in einer anderen Liga! Unerreichbar und trotzdem der Traum meiner schlaflosen Nächte. Man sollte seine Chancen nutzen, wenn sie sich bieten – auf Parkbänken genauso wie auf Fußballplätzen. Vielleicht kommen sie so schnell nicht zurück. Keiner weiß das besser als ich. Und deshalb habe ich mich entschieden, heute ins Stadion zu gehen, einfach weiter dran zu glauben und mich von meiner besten Seite zu zeigen – für alle Beteiligten ist das vielleicht ein ganz gutes Konzept! Denn eines weiß ich spätestens seit Eva Müller: Nutze den Tag, dann geht vielleicht mehr als jemals möglich schien!

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