Mi, 3. Februar 2010

Mr. Vielseitig

15 Alemannia-Mitglieder treffen sich zu einer Gesprächsrunde mit Mirko Casper. Dabei erfahren sie, dass der 27-Jährige beinahe Mathelehrer geworden wäre und eigentlich selbst nicht genau weiß, auf welcher Position er am stärksten ist.

Aus der Halbzeit wird am Ende viel mehr. Die Nachspielzeit ist so lang, dass die Begegnung mit dem Alemannia-Profi erst weit in der zweiten Hälfte abgepfiffen wird. Mirko Casper trifft 15 Alemannia-Mitglieder, und heraus kommt ein kurzweiliges Gespräch, das viel länger dauert als die geplanten 45 Minuten. An der Theke im Klömpchensklub verquatscht man sich kurzerhand – so richtig viel ist über den Mann mit der Nummer 28 schließlich gar nicht bekannt, auch wenn er bereits seit fünf Jahren das schwarz-gelbe Trikot überstreift.

Der beste Aachener Feldspieler war Casper bei der 0:1-Niederlage in St. Pauli am letzten Spieltag. So hat es nicht nur Coach Michael Krüger gesehen. Dabei musste der Allrounder mal wieder die Position wechseln, von rechts nach links in der Viererkette. „Das letzte Mal, dass ich links hinten gespielt habe, ist schon zwei Jahre her. Ob rechts oder links – ich habe da eigentlich keine Vorliebe“, sagt der Defensivspezialist, der in der Jugend von Bayer Leverkusen ausgebildet wurde. Womit die Diskussion schon bei der wichtigsten Eigenschaft des Mirko Casper angekommen wäre – der Vielseitigkeit. Ob das denn Fluch oder Segen sei, auf vielen Positionen einsetzbar zu sein, will ein Mitglied wissen. Dabei gehören die Positionswechsel zur Karriere des Mannes aus Cochem an der Mosel. „Bis ich zur Alemannia kam, habe ich nie auf Außenpositionen gespielt. Früher war ich Mittelstürmer, zentraler Mittelfeldspieler, Innenverteidiger oder Libero. Hier ist auch noch Außenverteidiger hinzugekommen“, sagt er.

Verwunderlich dabei: Selbst die Wechsel von rechts nach links meistert Casper ohne Probleme. „Intuitiv“ geschehe das, ohne große Vorbereitung. Seit fünf Jahren schätzen die verschiedenen Trainer der Schwarz-Gelben diese Fähigkeit – mal mehr, mal weniger. „Bei neuen Trainern habe ich immer eine Zeit gebraucht, nach einer gewissen Zeit haben eigentlich alle meine Spielweise geschätzt“, erinnert sich Casper. Geschätzt wird Casper augenscheinlich auch von den Mitgliedern, denn sofort kommt die Frage nach der persönlichen Zukunft. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. „Ich fühle mich sehr wohl bei der Alemannia, ich bin hier Profi geworden“, sagt der 27-Jährige, um dann hinzuzufügen: „Dieser Verein bedeutet mir etwas.“ Die Identifikation mit dem Klub kauft man ihm sofort ab, die lange Narbe über dem linken Auge zeugt davon, dass Mirko Casper stets die Birne für seinen Arbeitgeber hingehalten hat. Er will sich in Ruhe die Pläne von Sportdirektor Erik Meijer anhören und sich dann entscheiden. „Jedenfalls lasse ich mich von meinem Berater nicht in der Republik anbieten“, sagt er. Hört sich schwer danach an, als würde er gerne weiterhin am Tivoli spielen.

Apropos Tivoli: Dem neuen Stadion fehlt noch ein bisschen was, damit auch Mirko Casper hier komplett ankommt. „Wir hatten noch nicht die großen Erfolgserlebnisse, es war erst einmal richtig voll. Wenn wir hier mal ein Pokalspiel gewinnen, fühlt man sich schnell genauso wohl wie im alten Stadion“, sagt der Rechtsfuß, der im letzten Herbst geheiratet hat. Ehefrau Lisa ist Lehrerin, und auch Mirko wäre wohl vor der Schulklasse gelandet, hätte Franz Stolz ihn nicht einst für die U23 nach Aachen geholt. Sport und Mathe waren die Fächer, ehe der damalige Bundeswehrsoldat von U23-Co-Trainer Stolz an den Tivoli gelotst wurde. Der Aufstieg in den Profi-Kader unter Dieter Hecking ließ nicht lange auf sich warten. In der aktuellen Saison bleibt seine Hochzeit bei weitem die positivste Erinnerung an die zweite Jahreshälfte 2009. Zwar gelang Casper gegen Paderborn sein erstes Saisontor, eine plausible Erklärung für die schwankenden Leistungen hat auch einer der dienstältesten Alemannen nicht parat. „Es ist eines der Phänomene des Fußballs, dass es manchmal nicht so läuft wie gewünscht. Wenn im Verein Unruhe herrscht, neigt eine Mannschaft meiner Meinung nach zu Extremen. Das war bei uns auch so. Zum Glück haben wir das in den letzten Spielen in den Griff bekommen“, sagt Casper. Oberhausen, Ahlen, Koblenz? „Auf solche Spiele hat keiner Lust.“ Probleme gegen die so genannten Kleinen der Liga? „Gegen den Ball treten kann heutzutage jeder Gegner. Vieles ist Kopf- und Einstellungssache.“ Ziele für die Rückrunde? „Wir wollen auch mal einen Gegner abschießen, der unten steht und sich hinten rein stellt. Oder am Montag den Tabellenführer schlagen, das ist doch auch ein schönes Ziel.“ Es soll so weit wie möglich nach oben gehen in der Rückrunde, auch um „dem Verein ein bisschen vom TV-Geld zurückzuholen, das in der Kasse fehlt“. An Motivation mangelt es dem 27-Jährigen nach der bewegten Hinrunde nicht, auch wenn durch die Niederlage am Millerntor der „Kontakt nach oben“ abgerissen sei.

Drei Paar Schuhe hätte man idealerweise auf der Wiese in St. Pauli dabei haben müssen. „Außen war der Platz tief und weich, da waren Stollen die richtige Wahl. Dann kam ein Streifen für Nockenschuhe und in der Mitte brauchtest du Hallenschuhe“, beschreibt Casper die Platzverhältnisse in Hamburg. Das Unverständnis zweier Mitglieder über die zwei verschiedenen Halbzeiten kontert der Abwehrspieler: „Wie kann es sein, dass eine Spitzenmannschaft wie St. Pauli nach der Pause so den Faden verliert?“ Dennoch müsse die Mannschaft den Anspruch haben, schneller und vor allem eigenständig auf das Spielgeschehen zu reagieren. „Der Trainer hat in der Halbzeit angesprochen, dass wir zu tief stehen. Danach hat es deutlich besser funktioniert“, berichtet er über die Maßnahmen in der Kabine. Die Rolle von Erik Meijer? „Er hält keine Ansprachen, das übernimmt alles der Trainer. Aber einzelnen Spielern gibt er ab und zu einen Hinweis.“ Trotz der Niederlage sieht Mirko Casper die Mannschaft generell auf einem guten Weg. „Wir haben über viele Dinge gesprochen, da ging es auch mal zur Sache.“ Statt in Extreme zu verfallen und dem Gegner entweder ins offene Messer zu laufen (Union Berlin) oder zu passiv zu spielen, stimme mittlerweile die Balance. „In den letzten Spielen haben wir uns ganz anders präsentiert“, sagt er.

Und wie hat er sich selbst bei den Mitgliedern präsentiert? „Ich hatte schon immer einen sehr guten Eindruck von ihm. Deshalb habe ich auch gefragt, wie es mit seiner persönlichen Zukunft aussieht“, sagt Heinz-Peter Meessen. Helmut Tuwet findet: „Er ist unheimlich sympathisch. Solche Spieler brauchen wir.“ Seine Ehefrau Gisela Tuwet charakterisiert: „Er ist kein Komiker, wirkt sehr reif für sein Alter und hat Charme.“

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